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Kollage von Presseartikeln aus den Jahren 1991 bis 2001

Starker Beifall für Solisten

Klaus Sticken (Hannover) war der Solist beim Klavierabend, den die "Kammermusik der Wartburgstadt" in der Eisenacher Musikschule veranstaltete. Der Raum war mit einem aufnahmefreudigen Publikum voll besetzt. Der starke Beifall am Ende des Konzertes zeigte das, ebenfalls das wohlwollende Hinweghören über die während des Vortrages eintretenden Mängel am Instrument.
Drei Werke hatte der Pianist ausgewählt, die ein Stück Klaviergeschichte dokumentierten. Er begann mit der Sonate C-Dur KV 330 von Wolfgang Amadeus Mozart. Wie der Mozartbiograph Herman Abert schreibt, müsste sie in Paris im Jahre 1784 in enger Nachbarschaft der berühmten Sonate A-Dur mit dem "Marcia alla turca" entstanden sein. Des Pariser Klavierbauers Jean Henri Pape (1789 - 1875) Befilzung der Hammerköpfe war noch nicht bekannt - sie waren noch mit Leder belegt -, ebenso die Repetitionsmechanik von Sébastian Erard (1752 - 1831). Wie muss das Werk damals geklungen haben! Wer das Klangbild einer Einspielung auf einem historischen Instrument im Gedächtnis hat, wird sich vielleicht mit dem Klang des "Schimmel"-Flügels in der Musikschule nicht haben anfreunden können. Dennoch vermochte es der Interpret, durch geringen Gebrauch des Pedals einen zu den anderen beiden Werken des Abends abgesetzten Klavierklang zu erzeugen.
Aus den 23 Variationswerken Ludwig van Beethovens die im Jahr des "Heiligenstädter Testamentes" 1802 entstandenen "Eroica-Variationen" op. 35 aus. Der Klavierbau hatte entscheidende Fortschritte gemacht, man konnte der Mechanik einiges abverlangen, der nutzbare Tonumfang hatte sich vergrößert und verbessert. Das war im Konzert zu hören. Der Interpret "griff in die Tasten". Dem einstigen Namen des Hammerklaviers, dem "Fortepiano", wurde klingende Gestalt gegeben. ...
Aus der nächsten Epoche der Klavierliteratur wählte der Interpret die 1844 komponierte Sonate h-Moll op. 58 von Frédéric Chopin. In Chopins umfangreichem Klavierwerk sind nur drei Sonaten zu verzeichnen. Es ist falsch, diese an den Sonaten Beethovens zu messen; Chopin ist kein Epigone Beethovens. Dramatik und Lyrik sprechen aus diesen drei Werken. Klaus Sticken gestaltete das in seiner Interpretation der dritten in h-Moll.
In dem Konzert wurde den Zuhörern auf einem zeitgenössischen Instrument ein wesentliches Stück Klaviergeschichte nahe gebracht, es verband Hörgenuss mit einem Schuss Wissensvermittlung. Während Mozart nur fünf Oktaven auf dem Tasteninstrument zur Verfügung standen, konnte Chopin deren sieben klanglich ausgewogene ausloten. Dem Interpreten ist eine gute Programmauswahl zu bescheinigen und für das wunderbare Konzert zu danken.

Gottfried Meyer, TLZ, 01.2002

 

Therapie gegen Lampenfieber

Schon mehrfach dienten die Geigenkastenkonzerte als "Lampenfiebertherapie". Junge Künstler treten auf, präsentieren ihr Programm vor der Öffentlichkeit. Die eingeübten Formen eines Konzertauftritts werden gefestigt: die Verbeugung, die Sammlung vor dem ersten Ton und mehr. Der junge Interpret spielt in einer ihm meist ungewohnten Umgebung. Der Pianist hat ein ihm fremdes Instrument unter den Fingern - Schwierigkeiten, an die der Konzertbesucher nicht in erster Linie denkt.
Und dann werden solche ausgefeilten Leistungen wie im 55. Geigenkastenkonzert geboten! Ein sachkundiger Besucher des Konzertes fragte sich am Ende: "Was wollen die auf der Hochschule noch lernen?" "Die" waren Florian Heinisch, Andrea Schütz, Nadine Pfennig und Katharina Treutler - Schülerinnen und Schüler der Klavierklasse von Professorin Lehmstedt am Weimarer Musikgymnasium Belvedere.
Jeder Interpret brachte sein Programm zu Gehör, das er beim Ausscheid "Jugend musiziert"" vortragen wird. Von Johann Sebastian Bach bis zu Olivier Messiaen und Einojuhani Rautavaara reichte die Reihe der vertretenen Komponisten; der Schüler muss diese Musikepochen beherrschen. Sie beherrschten sie alle. Franz Liszts "Rigoletto-Paraphrase" zum Beispiel zählt nicht gerade zur "Schülerliteratur". So bot das Schülerkonzert - trotz des Wechsels der Interpreten - ein vollständiges, anspruchsvolles, abwechslungsreiches Klavierkonzert mit einem hohen Hörgenuss.
Eine Wertung der einzelnen Leistungen verbietet sich. Die Interpreten gehören unterschiedlichen Altersklassen an und werden auch so im Leistungsausscheid antreten. Sie haben schon mehrfach an Wettbewerben teilgenommen und dort Preise errungen.
Wenn wieder einmal ein Geigenkastenkonzert mit Schülern aus Weimar-Belvedere angekündigt wird, wissen die Besucher des vergangenen, dass sich ein Anhören lohnt.

Gottfried Meyer, TLZ, 28.02.2002

 

Temperamente des Südens

Als Kulturbotschafter Spaniens gastierten die "Juventudes Musicales" auf der Wartburg. Für das junge Streichquartett - alle Spieler erst Mitte, Ende 20 - war das Privileg, Chance und Herausforderung zugleich. Fünf Konzerte in sechs Tagen hat ihre Botschaft im spanischen Kulturstadtjahr organisiert: Berlin, Hannover, München, Eisenach, London die Tourneestationen.
"Natürlich fühlen wir uns als Repräsentanten unseres Landes", erklärt Primarius Raúl García. "Aber wir sind keine Politiker", ergänzt Cellist Damián Martínez. "Wir möchten den Menschen hier ein wenig die spanische Musik und ihre volkstümliche Interpretation nahe bringen", erläutert er die Mission.
Daher standen mit Eduardo Toldra und Joaquín Turina naturgemäß zwei Komponisten aus der Heimat auf dem Programm. Toldras "Vistas al mar" zu Beginn malten pastose Stimmungsbilder in spätromantischer Tradition. Fast wie aus einer Filmmusik breitete sich der melodische Strom im Lento aus, expressiv, aber nicht vordergründig folkloristisch die beiden Ecksätze. Joaquín Turina hingegen, den man nördlich der Pyrenäen bestenfalls für Gitarrenmusik kennt, entführte mit "La oración del Torero" in das hitzige Ambiente Andalusiens. Temperamentvoll, mit Verve und melodischer Glut musizierte das junge Ensemble.
Schwerer fiel das dritte Rasumowsky-Quartett Ludwig van Beethovens. Hier fehlten zuweilen formale Strenge und Binnenspannung, die intellektuelle Analyse der komplexen, weit gespannten Tektonik blieb unscharf. Zumal das Quartett nicht ganz einheitlich besetzt ist, die Mittelstimmen ließen sich führen statt gleichberechtigt mitzuwirken. Das abschließende "Amerikanische Quartett" Antonín Dvořáks aber machte dies vergessen. Recht leidenschaftlich wurde dieses Paradestück europäischer Tonkunst intoniert, mit erregender Dynamik und sehnsuchtsvollem Kantilenenspiel.
Für den kleinen, rührigen Kammermusikverein zu Eisenach hat sich die Wartburg-Premiere gelohnt. Vorsitzende Roxana-Maria Mereutza sieht darin nicht zuletzt einen Akt der Völkerverständigung. Im April gastiert das Dafô-Quartett aus Polen.

Wolfgang Hirsch, TLZ Weimar, 28.03.2002

 

Musikantischer Schwung

EISENACH. Es war geradezu "mitten im kalten Winter", als ein Sonderkonzert die Freunde der Kammermusik auf die Burg in den angenehm temperierten Palas lockte. Zu Stande gekommen war das Konzert durch den Kontakt der hiesigen Kammermusikvereinigung mit der spanischen Botschaft. Da die vier jungen Spanier Esther Rubio Fernández-Reyes (l. Violine), Rául García Marián (2. Violine), Alejandro Garrido (Viola) und Damián Martínez (Violoncello), die das Streichquartett "Juventudes Musicales" (Madrid) bilden, schon auf internationaler Ebene Preise gewonnen haben, war das Vergnügen auf Seiten des Publikums, dieses Ensemble kennen zu lernen. Der maritime Landschaftseindruck war der Auslöser für Eduardo Toldra (1895-1962), sein 3-sätziges Stück "Vistas al mar" zu nennen. Ein einziges Motiv bestreitet den ganzen 1. Satz, prägt ein melodiöses Thema aus, das von Instrument zu Instrument wandert. Auch in den beiden anderen Sätzen verleitet vieles zum Mit- oder besser Nachsingen. In der Harmonik wendet der Komponist verschiedene Stilmittel an, die klassischer, romantischer oder impressionistischer Herkunft sind. Insgesamt leichte Kost, die Spielern wie Hörern entgegenkam. Dies machte desto mehr Sinn als man nicht aus dem Stand mit dem Anspruchsniveau des Rasumowsky-Quartetts op. 59,3 von L. van Beethoven konfrontiert wurde. Der pausendurchsetzten langsamen Einleitung fehlte noch ein gewisser innerer Zusammenhalt. Wenn auch die solistischen Einsätze etwas bestimmter hätten hervortreten können, kam doch die Beethoven'sche Typik mehr und mehr zum Vorschein. Spätestens im Finale, dessen Beginn den Zuschauern des "Literarischen Quartetts" als Erkennungsmusik noch in den Ohren liegt, waren die Musiker ganz beim Bonner Meister angekommen. Von der Klarheit der fugierten Abschnitte bis zu den gewaltigen Steigerungen des Schlussteils war das Ganze erfüllt von höchster emotionaler Energie.
Bekannter als Toldra ist der Andalusier Joaquin Turina (gest. 1949). Sein Stück "La oracion del torero" aus dem Jahr 1925 war ursprünglich für vier Sänger gedacht. Mit seiner folkloristischen Melodik, durch einige impressionistische Akkordfolgen "aufgemotzt", stellte das Quartett einen seiner Landsleute vor, der der Konvention des 19. Jahrhunderts treu geblieben ist.
Als Abschluss hörten wir das 12. Streichquartett Op. 96 F-Dur von Antonin Dvorak. Offenbar fühlten sich die vier jungen Leute in der anderen Volksmusik so zu Hause wie in der eigenen, denn ihr musikantischer Schwung lebte sich in das der Natur Abgelauschte wie in den tänzerischen Gestus überzeugend ein. Hier erwiesen sich Bratschist und Cellist als die ausdrucksstärksten Spieler.

Dr. Wolfram Klante, TA Eisenach, 30.03.2002

 

Gesten verstohlener Heimlichkeit

In einem ... Sparkassen-Konzert waren kürzlich vier junge Polinnen zu erleben; hochbegabte Musikerinnen, die sich vor neun Jahren zum Streichquartett zusammengeschlossen haben und seitdem konstant zusammenarbeiten. Obwohl selbst schon gefragte und mit zahlreichen Wettbewerbspreisen versehene Spitzeninterpretinnen, betrachten sie sich in erster Linie noch als Lernende. Dies geschieht in engem Kontakt mit renommierten gleichartigen Formationen, die neben ihrer Konzerttätigkeit auch ein pädagogisches Team bilden. so studieren sie seit einigen Jahren an der Staatlichen Hochschule für Musik in Stuttgart in der Meisterklasse des berühmten Melos-Quartetts. Ihren eigenen Namen "Dafô", der inzwischen an Aktualität eingebüßt hat, leiteten sie seinerzeit von den Anfangsbuchstaben ihrer inzwischen teilweise veränderten Familiennamen ab. Bemerkenswert am musikalischen Erscheinungsbild ist, dass sie einerseits optimale Homogenität erreicht haben, gefördert durch die Leihgabe eines einheitlichen Instrumentensatzes, andererseits aber jede der vier Spielerinnen ihre individuelle Spielweise behalten hat.
Der erste Funken sprang über, als man gleich zu Beginn spürte, dass hier vier junge Leute mit Freude bei der Sache waren. Von Mozart hatten sie einen seiner interessantesten Beiträge zur Gattung ausgewählt. KV 387 (G-Dur), in den ersten Wiener Jahren entstanden, beweist, dass der 26jährige Salzburger seinem Vorbild Joseph Haydn, dem er sein Werk auch widmete, jetzt vollständig gewachsen war. Der durchgearbeiteten neuen Struktur entsprachen auch die Interpretinnen. Im souveränen Tausch der führenden Stimmen im 1. Satz zeigten sich die Primgeigerin Justyna Duda und Danuta Augustyn (2. Violine) einander völlig ebenbürtig. Ein Eindruck, der sich je nach solistischem Hervortreten bei Kinga Maria Roesler (Viola) und Anna Armatys (Violoncello) fortsetzte. Aufregend der scharfe Kontrast von Laut und Leise, der Wechsel vom breiten Ausspielen zur minutiös gestochenen Geste verstohlener Heimlichkeit. Während deutlich wurde, wie wenig diese Merkmale der dynamischen Gegensätze noch mit dem ursprünglichen schlichten Tanzsatz eines Menuetts zu tun haben, machten die Spielerinnen den kantablen langsamen Satz, seine innere Bewegtheit und Imitationstechnik ausnutzend, ausgesprochen spannend. Fugato-Abschnitte und solche scherzhaften Charaktere mit plötzlichen "Forte"-Schlägen ließen sie im Finale aus dem Vollen schöpfen.
Dieser glänzenden Einführung folgte eine Gabe aus ihrem Heimatland. Der polnische Komponist Karol Szymanowski, Altersgenosse Bartóks und Strawinskys, ist hierzulande noch viel zu wenig bekannt. Sein aus spätromantischen und modernen Elementen zusammengesetztes und doch zu etwas Eigenem verschmolzenes 2. Streichquartett aus dem Jahr 1927 wurde in der authentischen Wiedergabe in seiner ganzen Phantastik lebendig. Fahles Flimmern, gespenstisches Über-die-Saiten-Gleiten, verschleierte Ferne, ruppig-dissonante Groteske, aber auch betörende Melodik und die überraschend einfache Schlusslösung bildeten zusammen den aufregendsten Programmteil.
Vertrauter war da schon Claude Debussys einziges, 1893 entstandenes Streichquartett g-Moll. Einfühlsam gaben sich die Gäste dem ständigen Wogen, das an des Komponisten Orchesterstück "Das Meer" erinnert, den motivischen Wiederholungen der kurzen Tonleiterausschnitte, dem rhapsodischen Schweifen oder dem spanischen Gitarren-"Sound" hin und brachten so die verführerisch-raffinierte Klangpalette des Impressionismus auf den Punkt.

Dr. Wolfram Klante, TA Eisenach, 10.04. 2002

 

"Titanic" als toller Schluss
Die"Bach"-Musikschule präsentierte

Das Konzert der Musikschule "Johann Sebastian Bach" in der Nikolaikirche fand gleich zwei Anlässe, um ausgetragen zu werden: Nicht nur, dass die Musikschüler mit ihrem Auftakt, ein Marsch von Georg Philipp Telemann auf die am Tag eröffneten Telemann-Tage einstimmten. Gleichzeitig fand auch in ganz Deutschland der Musikschultag statt. Deshalb musizierten. im ganzen Land Musikschüler von rund 500 Schulen.
Die Eisenacher bewiesen einmal mehr, dass Musikschule Vielfalt bedeutet: So fanden sich im Programm nicht nur klassische Sonaten und Märsche von Telemann und Händel, Arien von Händel bis Haydn, sondern auch musikalische Ausflüge in die Gegenwart präsentierten die Musikschüler. Zum Beispiel erklang die Rock-Ballade "Nothing else matters" von Metallica, das die Gitarrengruppe einstudiert hatte, aber auch vor Tango und Blues machten die jungen Musiker nicht halt. Das Orchester wechselte sich hierbei mit kleineren Kammermusik-Besetzungen bis hin zu Soloausführungen einzelner Schüler ab.
Mit Spannung durfte bei jedem Musikschulkonzert das große Finale erwartet werden, das traditionell das Orchester unter Leitung von Christoph Peter verantwortet. Nicht selten bringen die rund 50 Orchestermitglieder bekannte Filmmusik zur Aufführung; erinnert sei zum Beispiel an das Stück "Dancing with wolves". Diesmal lag das Publikum in Eisenach mit einer derartigen Erwartung nicht schlecht: Die Filmmusik ans "Titanic" erklang als grandioses Finale.

tja, TLZ, 06.2002

 

Musikalische Reise durch drei Jahrhunderte
Musikschule "Johann Sebastian Bach" präsentierte gewachsene Leistungsfähigkeit

Mit einem gleichermaßen abwechslungsreichen wie kurzweiligen Programm präsentierte sich die Eisenacher Musikschule "Johann Sebastian Bach" im Rahmen des alle drei Jahre abgehaltenen Deutschen Musikschultages sowie der gleichzeitig in der Wartburgstadt stattfindenden 10. Telemann-Tage am Wochenende in der Nikolaikirche. Sie stellte dabei erneut das bemerkenswerte künstlerische Talent der 42 ausgewählten Musikschülerinnen und -schüler unter dem Dirigat von Christoph Peter unter Beweis. Zu Gehör gebracht wurden sowohl weithin bekannte Werke für das große Orchester - darunter ein Marsch von Georg Philipp Telemann sowie die Ouvertüre zu "Die Welt auf dem Mond" von Joseph Haydn - als auch für verschiedene kammermusikalische Besetzungen sowie nicht zuletzt zahlreiche klassische und zeitgenössische Stücke für speziell zusammengestellte Ensembles, an denen neben den Orchestermusikern auch mehrere Gitarristen, Bassisten, Sängerinnen und Sänger beteiligt waren. Während des gut zweistündigen Konzerts wurden unter anderem Werke von Georg Philipp Telemann, Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Robert Schumann und Franz Schubert gespielt, abgerundet von zwei Tangos von Piazzolla, dem "Doll Groove Blues" des Saxophonensembles unter Leitung von Stanley Blume, einer Gitarren-Interpretation des melancholischen "Metallica"-Rocksongs "Nothing Else Matters" sowie der Filmmusik aus dem Hollywood-Streifen "Titanic" durch das 42-köpfige Orchester der Eisenacher Musikschule, die als krönender Abschluss das Konzert der begabten zehn- bis zwanzigjährigen Interpreten beendete. "Bei der Auswahl der Stücke haben wir besonderen Wert auf Vielfältigkeit gelegt, um die Leistungsstärke unserer Musikschule zu verdeutlichen", so Direktor Günter Fingerhut, der das Repertoire gemeinsam mit dem Dirigenten zusammengestellt hatte. "Zumal eine Schule, die den Namen Johann Sebastian Bachs trägt, natürlich auch besondere Qualitätsansprüche hat ..."
Gut 600 öffentliche Musikschulen deutschlandweit waren an dem diesjährigen Musikschultag beteiligt und präsentierten sich dabei in unterschiedlichem Rahmen, nur wenige davon allerdings mit einem derart professionellen Auftritt wie die Schülerinnen und Schüler der Musikschule "Johann Sebastian Bach". Angeleitet von 15 festangestellten sowie weiteren 38 Honorarlehrern erlernen derzeit an der Eisenacher Musikschule 883 Schüler aller Altersgruppen - darunter auch viele Erwachsene - ein Instrument, von den klassischen Orchesterinstrumenten über Gesang und Blockflöte bis hin zu Keyboard und Saxophon.

Klaus-Peter Kaschke, TA Eisenach, 06.2002

 

Zwei Ensembles musizierten im Barockstil
Wartburgkonzert innerhalb der 10. Eisenacher Telemann-Tage

10. Eisenacher Telemann-Tage - wie immer standen sie, obwohl zeitlich auseinander liegend, im Schatten der Thüringer Bach-Wochen.
Dabei kann Georg Philipp Telemann gerade in Eisenach gegenüber dem großen Sohn der Stadt den Vorzug geltend machen, dass er hier eine Zeit lang kapellmeisterlich und kompositorisch tätig war. DeutschlandRadio Berlin nahm dies zum Anlass, sein 298. Wartburgkonzert ausschließlich dem Schaffen des ehemaligen Hofkapellmeisters zu widmen. Zu diesem Zweck knüpfte es an die in dieser Reihe schon bewährte Programmgestaltung an, zwei verschiedene Ensembles an einem Abend zusammenzuführen, ohne dass es zu Dopplungen oder überspitzten Gegensätzen kommen würde, sondern sich beide Gruppen aufs Schönste ergänzen. Am Start war diesmal das Adamus-Trio aus Tschechien mit Jan Adamus (Oboe), Jitka Adamusova (Violine) und Kveta Novotna (Cembalo) sowie das "ensemble baroque florian prey", das ebenfalls als Trio-Besetzung auftrat. Es vereint den Sänger Florian Prey (Bariton), Marga Scheurich (Cembalo) und Klaus Kämper (Violoncello). Im Wechsel boten sie je drei Suiten und Kantaten, die den Titel "moralische" tragen, aus dem reichen Schaffen des Magdeburger Meisters.
Die Ausführenden zeigten sich bestens vertraut mit seiner Schreibweise, die in diesem
Fall den unterhaltsamen Charakter betont. Im Barockstil konzertierten zwei selbstständige Stimmen (Oboe und Violine) die Suite Nr. 1 (G-Dur). Hier trat das Blasinstrument noch etwas stärker hervor als das Saiteninstrument. Noch schwach ausgearbeitet waren dynamische Abstufungen. Beides sollte sich ändern. Deutliche Artikulation, besonders im Menuett, das schon dem "galanten Stil" zuneigt. Es dominierte die gebundene Spielweise (legato). In der folgenden Suite Nr. 3 (h-Moll) war der Ausgleich beider führenden Stimmen hergestellt. Die Interpreten ließen Telemanns Erfahrungen mit polnischer Folklore in widerborstigen Synkopen und neckischen "Schleifern" erkennen. Im letzten Allegro tritt das Cembalo aus seiner Stützfunktion heraus und wird zum gleichwertig konzertierenden Partner. Die Cembalistin nutzte die Chance, ihr virtuoses Können vorzuführen. Die Suite Nr. 6 fand ich sowohl als Komposition wie als Interpretation am interessantesten. Flexibel wechselnd von einem kurzen Tanzsätzchen zum nächsten, schöpften die Spieler die Besonderheiten dieser Musik gebührend aus: eine überraschende Mini-Kadenz, kräftige Crescendi, kecke "Schleifer", Echos und abrupte Satzschlüsse.
Der moralische Impetus gehört zum Wesen der Aufklärung, musikalisch vom heiteren Singspiel bis zur Erhabenheit der Beethoven'schen"Gellert"-Lieder. Mit Augenzwinkern und imitierenden Übertreibungen setzte Telemann die Texte seiner "6 moralischen Kantaten" in Töne um. Eine Singstimme wird begleitet vom basso continuo (hier Cembalo und Violoncello). Beide Instrumente übernehmen auch eigenständige Aufgaben. Mit Humor gewürzt geht es darum, wie Menschen mit der Flüchtigkeit der Zeit, der Hoffnung, dem Warten aufs Glück umgehen oder was solche Eigenschaften wie Geiz, Falschheit und Großmut real bedeuten. Einfallsreich hat der heute längst vergessene Dichter z.B. den abstrakten Begriff "Glück" zur Metapher eines Langschläfers gemacht. Florian Prey, dessen angenehmes Timbre in bestimmten Eigenheiten an das seines berühmten Vaters Hermann Prey erinnert, ist im übrigen eine souveräne Sängerpersönlichkeit. Dank der technischen Beherrschung des Trillerschlagens und anderer Verzierungen wies er sich schon von der äußeren Seite als prädestiniert für barocke Vokalkunst aus. Die schematische Folge von Rezitativen und Da-capo-Arien erfüllte er ausgewogen mit ausdrucksvoller Diktion und dynamischen Kontrasten. Beeindruckend seine Art, einzelne Worte herauszuheben und mit dem Gestus der Klage, des Zorns oder der Nachahmung einer Lachsalve in Zeitlupe zu verbinden. Abgesetzte Einzelworte gingen über zu langen, brillant vorgetragenen Silbenkoloraturen. Telemann hätte seine Freude gehabt.

Dr. Wolfram Klante, TA Erfurt, 06.2002

 

Stilvoll, wendig und pikant
Adamus-Trio begeisterte in Eisenach

Von 1708 bis 1712 war Georg Philipp Telemann Hofkapellmeister in Eisenach, und diese kurze Periode genügt, dass sich die Stadt als Telemann-Stadt bezeichnet. Zum 10. Mal fanden Telemann-Tage statt, getragen von heimischen Musikensembles und Gästen. Nicht zuletzt hat Deutschland-Radio Berlin sein 29.8. Wartburg-Konzert in das Programm eingebunden und damit die Verpflichtung zweier auf Barockmusik spezialisierter Trios ermöglicht, die mit Gewissheit den Höhepunkt der festlichen Woche markieren.
Aus Prag war das Adamus-Trio (Jan Adamus/Oboe, Jitka Adamusová/Violine und Kveta Novotná/Cembalo) gekommen, eine Gruppe exzellenter Solisten, die mit stilvoller spiritueller Wendigkeit, mit musikalischer Pikanterie und im Allgemeinen auch mit bester spielerischer Klangbalance das Wort vom "undifferenzierten Vielschreiber" Telemann ad absurdum führten. Mit den Suiten G-Dur, h-Moll und d-Moll scheint er weit voraus gegriffen zu haben in das Zeitalter höfischer Galanterie, da Musik die Begleiterin in allen Lebenslagen war, unerlässlich zur Ergötzung von Herz und Gemüt. Er überwindet den Zwang zu höfischer Repräsentation, verzichtet damals schon auf das übliche Continuo-Cello, fügt kurze Charaktersätze zu endlos scheinenden, doch abwechslungsreichen Folgen und besinnt sich auf Einflüsse polnischer Musik, die er einst im schlesischen Sorau empfangen hatte. Animierender kann diese die Grenzen der Zeit sprengende Musik nicht wirken.
Auf die "Moralischen Kantaten" von 1736 griff das ensemble baroque florian prey zurück, ebenfalls ein hervorragend eingestelltes Trio, das mit Klaus Kämper (Violoncello) und Marga Scheurich (Cembalo) Musterbeispiele für Continuospiel ans heutiger Sicht darbot. Die Mischung ans dezenter Zurückhaltung und griffiger Untermalung bezauberte, während Florian Prey, ein Bariton mit guter Textverständlichkeit, mit der Fähigkeit zu inhaltlich fundierter Gestaltung, doch leider noch mit Intonationsschwächen behaftet, schnellstens jenen eingeschlagenen Weg zu Ende gehen muss, der ihm die totale Verschmelzung der Technik des Singens einschließlich der Atemführung mit den Erfordernissen textlicher Nuancierung ermöglicht.

Hans-Jürgen Thiers, TLZ Weimar, 06.2002

 

Sanssouci in Wilhelmsthal
Musikalisch-literarischer Nachmittag mit "Capella Aureliensis" aus Freiburg

In Wort, Ton und Architektur hätte es fast ein "Klein-Sanssouci" werden können, was man jüngst erleben konnte, wäre da nicht das erbarmungswürdige innere und äußere Ambiente des Schlosses Wilhelmsthal gewesen. Dieses allerdings war dazu angetan, sich lieber mit geschlossenen Augen in die Welt Friedrich II. und Voltaires entführen zu lassen, um an ihrer Korrespondenz unter dem Titel "Ah, Monseigneur, warum sind Sie ein Fürst?" teilnehmen zu dürfen. Die "Capella Aureliensis" aus Freiburg - ein sehr ökonomisch arbeitendes Ensemble aus dem alemannischen Raum, da zwei Mitglieder des Quartetts nicht nur Musiker sind, sondern sich auch als Konzertagent bzw. Verleger, Herausgeber und Notengrafiker betätigen - war von der "Kammermusik der Wartburgstadt" zu einem musikalisch-literarischen Sonntagnachmittag eingeladen worden.
In seiner Begrüßung ging der 3. Vorsitzende des Vereins kurz auf die Geschichte des um 1750 erbauten Jagdschlosses der Herzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach ein. Nicht ohne schwarzen Humor vermerkte er, das Bauwerk werde vermutlich trotz seines desolaten Zustands die Veranstaltung noch überstehen - eine andere Form, zum soundsovielsten Mal Handlungsbedarf anzumahnen, der von Jahr zu Jahr dringender wird. Zu den Eigenschaften der beiden erwähnten Ensemblemitglieder gehört auch, dass sie exquisite Sprecher sind. Als solche stellten sich hier Hans-Jürg Meier (Voltaire) und Franz Müller-Busch (Friedrich) vor. Die Raumeinteilung machte geografische Distanz zwischen beiden Absender-Adressaten sinnfällig. Zwischen ihnen war das Duo Sarah Giger und Ines Müller-Busch (Traversflöte) postiert, mit Symbolgehalt freilich nur für den Preußenkönig. Der französische Philosoph, der voller Esprit nicht hinter dem Berge hielt, wenn er Anlass sah, den Kronprinzen und später den König zu kritisieren, dafür auch die Ungnade seines monarchischen Freundes in Kauf nahm, kam hier von seiner ehrerbietigen Seite gegenüber dem "Philosophen auf dem Thron" ins Blickfeld. Beide suchten des jeweils Anderen Nähe als Ebenbürtige und Gleichberechtigte in einer "Republik des Wortes". Gegenstand ihrer gelesenen Briefe waren vor allem die großen Themen der Aufklärung, der Frage nach dem Wesen Gottes und die nach der Freiheit, besonders der Willensfreiheit des Menschen. Auch persönliche Schicksale wurden angesprochen - der Tod des Vaters Friedrich Wilhelm I. und der Lieblingsschwester Wilhelmine oder Voltaires Verlust seiner geistvollen Geliebten, der Marquise du Châtelet. Zeitweilig änderte sich die Rollenverteilung. Simultan wurde ein Text im Original und in deutscher Übersetzung gelesen. Dann wieder bekam der Vortrag melodramatische Züge, indem er von Musik begleitet wurde. Dafür hatten sich die beiden Flötistinnen zur Verfügung gestellt, deren Hauptanteil in mehr oder weniger kurzen Original-Duos ohne Bass- und Akkordfundament, zwischen Barock und Frühklassik liegend in teils polyphoner, teils homophoner Satztechnik bestand. Dank der wunderbaren Akustik und dem vorzüglichen Vortrag der Solistinnen lud sich vor allem die Dreiklangsmelodik zur raumfüllenden Harmonie auf, so dass die fehlende Tiefenregion umso leichter zu entbehren war. Unter den ohne Werkangabe aufgeführten deutschen und französischen Komponisten stand Johann Joachim Quantz (1697 - 1773), seit 1728 Flötenlehrer des Kronprinzen und ab 1741 königlicher Kammermusiker und Hofkomponist dem "alten Fritz" und seinen Flötenkonzerten auf Sanssouci am nächsten.
Hoffen wir, dass ein Bruchteil der Summen, die zur Instandhaltung des Bauwerks in Potsdam ständig gebraucht werden, eines Tages dem gleichen Zweck auch in Wilhelmsthal zufließt.

Dr. Wolfram Klante, TA Erfurt, 06.2002

 

Wort und Musik in zartem Einklang
Ohrenschmaus im Zeichen Voltaires und des "Alten Fritz"

Wilheimsthal. (ep) Ein Ohrenschmaus: Zwei meisterhaft gespielte Traversflöten, zwei gut artikuliert sprechende Rezitatoren und die gute Akustik des Saales in Schloss Wilhelmsthal ergaben den angenehmen Teil des Konzerts.
In diesem Raum hat Telemann seine Musiker zu frohem Musizieren angespornt. Trotz zweckentfremdender Nutzung ist der Saal fast ursprünglich erhalten, der einzige in diesem musikgeschichtlichen Zusammenhang. Grund genug, für die "Kammermusik der Wartburgstadt", nicht müde zu werden, hier Konzerte zu veranstalten. Viele wollen, dass dieses Kleinod mitteldeutscher Musikgeschichte erhalten bleibt.
Auch diesmal war jeder Platz im Saal besetzt. Wie erwähnt, wurde rezitiert. Briefstellen Voltaires und Friedrichs des Großen forderten die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Besuchers. Ohne Ansage und weitere Information erklang Musik von Georg Philipp Telemann, Johann Joachim Quantz, Wilhelm Friedemann Bach, Jacques Hotteterre und Pierre Danican Philidor. Die Musik verhalf zu Denkpausen, zu Meditationspausen. Über die Themen "Freiheit", "Tod" und "Krieg" wurde unter anderem philosophiert.
In der damaligen Musikpraxis war es üblich, dass nicht der Komponist, sondern der Interpret bekannt war. Und dazu verhalf das ausgegebene Druckblatt. Den beiden Geistesgrößen Voltaire und Friedrich II. liehen Hans-Jürg Meier und Franz Müller-Busch ihre Stimmen.
Die beiden Traversflöten spielten Sarah Giger und Ines Müller-Busch. Ihr Zusammenspiel war so perfekt, dass man meinen konnte. eine Person spielt. Sie benutzten auch Kopien unterschiedlicher historischer Instrumente, aber ihre Blastechnik ließ keine klanglichen Unterschiede vernehmen. Jahrelanges Zusammenspiel der beiden Interpretinnen ist die Voraussetzung dazu.
Der "Alte Fritz" war ein guter Flötenspieler. Sein Lehrer Quantz erneuerte das Flötenspiel, denn er lehrte, das Instrument "traversiere" zu blasen. Der bedingt starrere Ton der Blockflöte wurde so weicher, die Blastechnik gestattete ausdrucksvolleres Spiel, was in diesem Konzert deutlich zu hören war. Jacques Hotteterre gehört in eine Familie hervorragender französischer Instrumentenbauer, ausübender Musiker, Pädagogen und Komponisten. Auch ein Vertreter der französischen Flötenkunst war Pierre Danican Philidor. Es wäre noch Wilhelm Friedemann Bach zu erwähnen, der älteste Sohn Johann Sebastians. Als Bruder Carl Philipp Emanuels, Cembalist am Potsdamer Hof, wäre auch hier eine Verbindung zum Thema "Voltaire & Friedrich der Große" vorhanden, sind doch beide musikbezogen "aus dem gleichen Holz geschnitzt" gewesen.
Noch einmal in diesem Jahr gibt es ein Konzert im Schloss Wilhelmsthal. Am 18. August erklingt wieder Musik der Barockzeit.

Gottfried Meyer, TLZ Eisenach, 06.2002

 

Technische Raffinessen

Mozart, Tartini, Ernst, Sarasate - ein Sologeiger gab Kostproben seines Könnens in einem Konzert der "Kammermusik der Wartburgstadt" in der Eisenacher Musikschule. Julian Dedu, Konzertmeister in der Landeskapelle, wurde vom Solorepetitor Konrad Bach am Flügel mit technischer Brillanz begleitet.
Mit der Sonate B-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart wurde das Programm klassisch eröffnet. Die Interpreten hatten ein Werk ausgewählt, in dem Violine und Tasteninstrument musikalisch gleichberechtigt miteinander musizierten. Gleich zu Beginn übernimmt die Violine die Begleitung und das Thema erklingt im Klavier. Sich in der Führung abwechselnd, spielten die beiden Instrumente einander die Bälle zu. Um im Bilde zu bleiben, kamen die "Vorlagen" vom Klavier manchmal zu kräftig. Wer das Instrument kennt, weiß um die Schwierigkeit, ihm im mittleren Lautstärkebereich einen gleichmäßigen Ton zu entlocken. Leichte "Inegalités" verfeinerten den 2. Satz. Feurig wurde der folgende interpretiert.
Um die Teufelstriller-Sonate von Giuseppe Tartini rankt sich die bekannte Anekdote, die dem Werk zu seinem Namen verhalf. Sie ist wohl das bekannteste Werk des seinerzeit hoch angesehenen Solisten, Pädagogen, Komponisten und Theoretikers. Vergleicht man diese Sonate mit der von Mozart, fällt die Betonung der Violine auf.
Technische Schwierigkeiten rücken den Solisten in den Vordergrund. Im 18. Jahrhundert ging man nicht wegen des Komponisten des Werkes ins Konzert, sondern wegen des Interpreten. Das wird in unserem Falle wohl auch größtenteils so gewesen sein. Hier war der Konzertmeister solistisch zu hören und ging nicht im Orchesterklang unter.
Mit technischen Raffinessen sind auch die Ungarischen Weisen op. 22 von Heinrich Wilhelm Ernst gespickt. Manchem Zuhörer wird die Musik bekannt gewesen sein. Würde man ihn nach dem Komponisten fragen, wäre sicherlich ein Achselzucken die Antwort. Musizierte Ernst doch dereinst mit Joseph Joachim, Henryk Wieniawski, Hector Berlioz oder Niccolo Paganini. Letzteren beobachtete er genau im Konzert, übernahm seine Technik, vervollkommnete sie, spielte dessen unveröffentlichte Werke aus dem Gedächtnis in Konzerten. Paganinis Anerkennung war ihm gewiss.
Auch Pablo de Sarasate war ein geschätzter Solist, der viel für sich komponierte. Mit den Zigeunerweisen und der Carmen-Fantasie war Julian Dedu in seinem Element. Er riss das Publikum mit, das ihm stehend applaudierte. ...
Julian Dedu ... ist wie Konrad Bach am Landestheater angestellt. Die beiden Interpreten dieses Konzertes sind wie alle Mitglieder der Landeskapelle Eisenach auch außerhalb ihres tagtäglichen Dienstes im Kulturleben Eisenachs und nicht nur dort aktiv. Soll das Kulturleben in dieser Stadt veröden? Wenn ja, dann kann sie sich auch nicht mehr als Geburtsstadt Johann Sebastian Bachs schmücken. Denn jeder Musiker braucht einen kulturellen Nährboden und keine Wüste.

Gottfried Meyer, TLZ, 21.11.2002

 

Begeisterung sprang über

Zehn begeisterte Sängerinnen und Sängerhaben sich erst vor kurzem unter dem Namen "Vocappella" zusammengefunden. Teils sind sie Studierende an der Hochschule für Musik "Franz Liszt" in Weimar, teils kommen sie aber auch aus anderen Fachrichtungen, um unter Heike Pawelskys Leitung zu singen. Sie alle waren im 58. Geigenkastenkonzert der "Kammermusik der Wartburgstadt" im Martin-Luther-Gymnasium zu hören.
Die Geigenkastenkonzert sind vielfarbig. Dieses letzte aber muss in strahlend hellen Farben gemalt werden. Es waren Meisterleistungen, die diese Gruppe bot, ein Werk so gut interpretiert wie das andere. Die Begeisterung der Sängerinnen und Sänger konnte man ihren Gesichtern ablesen. Sie sprang sofort auf das Publikum über. Es waren nur anerkennende Urteile zu hören: saubere Intonation, gut abgestuft Dynamik, deutliche Aussprache - einfach "CD-reif".
Mit einer Komposition von Zoltan Kodaly wurde das Programm eröffnet. Die Palette der Komponisten reichte von Orlando di Lasso über Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Anton Bruckner, Max Reger bis zu Komponisten unserer Tage. Im ersten Teil erklangen geistliche Chorwerke, im zweiten weltliche. Damit bewiesen die Interpreten, dass sie in jeder Epoche zu Hause sind, dass sie in der kurzen Zeit ihres gemeinsamen Singens sich schon ein anspruchsvolles Repertoire erarbeitet haben, das das Madrigal der Renaissance, aber auch den Gospelgesang umfasst.
Gibt es abschließend noch etwas hinzuzufügen? Ja! Wann ist "Vocappella" wieder einmal in der Wartburgstadt zu hören, denn ihr jetziger Probenort Weimar ist ja nicht so weit von Eisenach entfernt. Das wünscht sich sicherlich auch nicht nur der Rezensent.

Gottfried Meyer, TLZ, 27.11.2002

 

Streichtrio mit Fagott

Pünktlich zum ersten Kälteeinbruch dieses Winters kam eine Veranstaltung in der Wartburg-Sparkasse mit Musik, die einem das Herz wärmte, gerade recht. Das Eisenacher Streichtrio "Divertimento", bestehend aus Simona Balan (Violine), Gheorghe Balan (Viola) und Roxana-Maria Mereutza (Violoncello), drei aus Rumänien stammende Mitglieder der Landeskapelle Eisenach, bildet einen Teil des von der Solocellistin der Landeskapelle gegründeten Streichquartetts mit gleichem Namen. Als letzter wurde ihr Landsmann Romeo Domuncu, seit einem Jahr Solofagottist im selben Orchester, Mitglied der Kammermusikvereinigung und damit willkommener Partner seiner Streicherkollegen. Wie alle Neugewonnenen bekam auch er seine Chance, sich solistisch vorzustellen, was er mit Bravour meisterte.
Francois Devienne (1759 - 1803), nicht nur vom Geburtsdatum her, sondern auch in seinem kompositorischen Schaffen mozart-nah, schrieb u.a. ein "Quartett für Fagott, Violine, Viola und Violoncello g-Moll, op. 73 Nr. 3". Analog zu seinem Musikerleben als Fagott-Virtuose wirkt das Stück fast wie ein Konzert für Fagott mit Begleitung eines dreistimmigen "Mini-Orchesters". Gelang das Duettieren zwischen Violine und Fagott hier recht gut, wäre im "Quartett op. 40 Nr. 3 B-Dur" für eben jenes Blasinstrument und Streichtrio von Franz Danzi (1763 - 1826) ein etwas kräftigerer Strich der Violine als Gegenpart vorteilhaft gewesen. ... Danzi, der ein Nachzügler der "Mannheimer Schule" war, schrieb hier ein stampfendes Menuett, dessen Reiz der Fagottist zu nutzen wusste. Zugleich baute es eine Brücke zu dem geistesverwandten Freund Carl Maria von Weber, der ebenfalls viel Sinn für tänzerische Rhythmen mitbrachte und sich von Danzi, beide hatten den selben Lehrer, beeinflussen ließ. Mit Weber ging auch der zweite Teil des Programms zu Ende. Zu Beginn dieses Teils, der sich der Romantik zuwandte, erklang der viel zu selten gespielte Heinrich von Herzogenberg (1843 - 1900). Stilistisch wie auch persönlich gehörte er zum Kreis um Johannes Brahms. Dies spricht schon dafür, dass von ihm kein anspruchsloses, nur dem Unterhaltungsbedürfnis dienendes Stück zu erwarten war. Sein "Streichtrio op. 27 Nr. 1 F-Dur" entspricht einer höheren Erwartung. Den in der Programmfolge steigenden Ansprüchen wurden die Ausführenden voll gerecht, dem Fagottisten war eine Verschnaufpause vergönnt. Vom kontrapunktischen Anfang der polyphon strukturierten Musik, bei der die motivischen Einsätze plastisch hervortraten, bis zum schwebenden Dreiertakt eines Siciliano schöpften die Streicher den Kontrastreichtum der Charaktere, des Tempos und der Dynamik aus und sparten nicht mit dem schwelgerischen Ton romantischer Lyrik.
In seinem "Andante e Rondo ungarese op. 35" gab Carl Maria von Weber dem Fagott, was des Fagottes ist: den gemütvollen Humor. Es wird wie zu Beginn des Konzertes wieder zum Hauptinstrument. In echter Begleitmanier zog sich das Streichtrio auf zarte Pizzicati zurück. Doch auch das Holzblasinstrument umspielte in nobler Weise das bei den Streichern liegende Thema. In der Variationsfolge stellten alle Beteiligten profilierte Motive heraus, darunter Beethovens berühmtes "Schicksalsklopfen", lustige Punktierungen, gegen den Strich gebürstete Akzente, ein fortwährendes "Scherzando" unter dominierenden Staccati. Solcherart wurde schließlich der D-Dur-Schlussakkord erreicht - das Ende eines vergnüglichen Nachmittags.

Dr. Wolfram Klante, TA, 11.12.2002

 

So schön können leise Töne sein

Mitglieder der Landeskapelle, die sich als "Eisenacher Kammerorchester" zusammengeschlossen haben, waren die Interpreten des Weihnachtskonzertes der "Kammermusik der Wartburgstadt".
Vergleicht man ihre heutige Leistung mit der vor Jahren, ist eine hörbare Verbesserung zu registrieren. In der kleinen Zahl ist jeder Musiker ein Solist und muss ständig sein Bestes geben. Alle Mitstreiter dieses Konzertes sind Mitglieder der Landeskapelle. Hört, welche "Propheten im eigenen Lande" mit uns Tür an Tür wohnen!
Der 1. Satz von Händels Concerto grosso war frisch als Auftakt musiziert. Die leicht gespielten Auftaktnoten trugen wesentlich zu diesem Eindruck bei. Den Solistenpart übernahmen Angelika Eichhorn, Julian Dedu (Violine), Roxana und Viorel Mereutza (Violoncello).
Wie oft hat man nicht schon Mozarts Konzert für Violine und Orchester A-Dur (KV 219) gehört. Unwillkürlich stellt man beim neuen Hören Vergleiche an. Wolfgang Hammar als Solist muss diesen Vergleich nicht scheuen. Der tragende, nicht aufdringliche Ton ist das Ergebnis seiner Bogentechnik.
In der Kadenz des Rondos gelang ihm der Übergang vom stampfenden Couplet-Teil zum melodiösen Hauptthema meisterhaft. Das Orchester passte sich in der Begleitung jeder Nuance seiner Interpretation an. Für viele war dieses Werk das an diesem Abend am schönsten musizierte.
Die Pause verkürzte Volker Weber mit einer Weihnachtsgeschichte - ebenfalls zum Genießen.
Johann Sebastian Bachs Konzert d-Moll BWV 1060 wurde uns mit Oboe und Violine als Soloinstrumente geboten. In der Barockzeit hat man sich nicht auf ganz bestimmte Soloinstrumente festgelegt. Hat doch der Meister selbst seine Konzerte für unterschiedliche Soloinstrumente umgearbeitet: aus Violinkonzerten wurden Cembalokonzerte. Elke Seidel und Seth Taylor waren hier die Solisten. Mit geschmeidigem Ton gab Seidel auf ihrer Oboe dem zweiten Soloinstrument gute Artikulation vor.
Was wäre ein Weihnachtskonzert ohne Corellis Concerto grosso in g-Moll? Der Pastoralsatz entließ die Zuhörer so zart, dass man genau hinhören musste. Spielen sie noch oder ist das der Nachhall? So schön können leise Töne sein.

Gottfried Meyer, TLZ, 28.12.2002

Lippentriller ohne Ventile

Das 59. Geigenkastenkonzert der "Kammermusik der Wartburgstadt" war ein voller Erfolg und die Nikolaikirche bestens gefüllt.
Schon zum zweiten Mal gastierte das Orchester "klang:fonie" in Eisenach - und soll im kommenden Jahr wieder hier auftreten. "Das Orchester klang:fonie versteht sich als Möglichkeit, in unkonventioneller Form jungen Musikern, Schülern und Studenten Orchestererfahrungen und solistische Auftrittsgelegenheiten zu bieten." So war es im Konzertprogramm zu lesen.
Konzertbesucher müssten die "unkonventionelle Form" hinterfragen. War es doch ein Konzert in der ganz üblichen Form. Weder Kleidung, Programmauswahl, Orchesteraufstellung oder sonst etwas wies auf eine "unkonventionelle Form" hin. Sollte das Unkonventionelle etwa bei den leichten Unsauberkeiten der ersten Violinen in den höchsten Lagen zu suchen sein, oder bei nicht ganz stehenden Tönen in den exponierten Lagen im Mozartschen Hornkonzert gerügt werden, so sind das "Beckmessereien", die hier nichts zu suchen haben.
Wenn es sich um Schüler und Studenten handelt, ist doch klar gesagt, dass man keine Meister vor sich hat. Und unter diesem Gesichtspunkt verdient die Leistung eines jeden jungen Musikers an diesem Abend allerhöchstes Lob. In einer Zeit, wo andere ausspannen, gehen diese jungen Menschen auf Reisen und geben Konzerte.
Der Unterricht an ihren Ausbildungsstätten wie Berlin und Weimar ruht - sie aber üben sich im Konzertbetrieb, sie arbeiten, damit andere sich erfreuen können.
Mit dem Wort "Geigenkastenkonzert" ist gesagt, dass ein freiwilliger Obolus am Ausgang das Honorar ist. Der Betrag reicht aber nur zur Deckung der Kosten, und die sollen doch die Schüler und Studenten nicht noch selbst tragen müssen.
Auf dem Programm standen Werke aus drei Jahrhunderten. Die Streicher eröffneten mit drei Menuetten von Puccini das Konzert. Der Zuhörer wurde hier mit Kompositionen konfrontiert, die verwunderten: 1890 entstanden sie, in zeitlicher Nähe zur Oper "Manon Lescaut", und klingen doch nicht nach Puccini. In großen Gesten animierte Tobias Haußig den kleinen, durch Krankheit dezimierten Klangkörper. Er teilte sich mit Cornelius During in die Dirigate.
Mit einer Komposition von Ferenc Farkas zeigte das Orchester, dass es auch neuzeitliche Musik gut interpretieren kann. Cornelius During gab klare Zeichen, die die Musiker in Klang umsetzten. Matthias Gödecker war der Solist im Konzert für Waldhorn und Orchester Nr. 2 Es-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart.
In diesem Konzert wird dem Solisten die Beherrschung des gesamten Tonumfanges dieses Instrumentes abverlangt. Dem setzte der Abiturient noch eins drauf, indem er Lippentriller verwandte, wie sie dereinst auf dem Naturhorn gefordert waren. Die Ventile bieten hier eine Erleichterung, zu der griff der Solist aber nicht.
Nach einem Nocturno von Alexander Borodin stand ein Jugendwerk Felix Mendelssohn Bartholdys auf dem Programm, die zehnte seiner Jugendsinfonien. In ähnlich kleiner Besetzung werden sie im elterlichen Hause erklungen sein. Eleven spielten also das Werk eines Eleven.
Nach zwei Jahrtausenden gilt noch immer der Satz "inter arma silent musae"; sehr frei übertragen: Wer Geld für Waffen ausgibt, hat keines für die Kunst. Ein Gedanke, der sicherlich manchen Besucher in der Nikolaikirche bei Betrachtung der Weltpolitik beschleichen könnte.

Gottfried Meyer, TLZ, 03.01.2003

 

Ein Trio von hoher Güte

Welcher Komponist des 19. Jahrhunderts hat kein Klaviertrio geschrieben? Die Frage wird schwer zu beantworten sein. Das Tasteninstrument mit dem Anschlag der Saiten durch filzbelegte Hämmerchen entwickelte sich immer mehr zu einem "Hausorchester". In keinem bürgerlichen Haushalt fehlte es. Seine technische Vervollkommnung und damit zunehmende Klangstärke gestattete es, ein guter Partner der Violine und des Violoncellos zu sein.
Drei Originalkompositionen bot das "Trio Triton" (Köln) in der Musikschule "Johann Sebastian Bach". Dem Verein "Kammermusik der Wartburgstadt" gelang es, dieses hervorragende Trio zu einem wunderbaren Konzert nach Eisenach zu holen.
Seit 1990 musizieren Carola Nasdala (Violine), Claudia Schwarze-Nolte (Violoncello) und Hartmut Leistritz (Klavier) zusammen. Ein solch langes gemeinsames Musizieren verspricht Gemeinsamkeit in der Interpretation. Diese Güte war nicht nur ohrenfällig, sondern auch augenfällig zu vermerken. Ein kleiner Blick zum jetzt stimmführenden Partner, und der begleitende ordnet sich ihm zurückhaltend unter.
Das Konzert begann mit dem Trio G-Dur von Claude Debussy. 1880 komponierte es der knapp Zwanzigjährige. Heiterkeit strahlt dieses vollendete Jugendwerk aus. Es folgte das 1914 komponierte Trio A-Dur von Maurice Ravel, ein Werk eines Vierzigjährigen. Den Schluss bildete das Trio H-Dur von Johannes Brahms. Es trägt zwar die Opuszahl 8 und ist das Werk eines Zwanzigjährigen, aber er überarbeitete es acht Jahre vor seinem Tode. Eine durchdachte Werkfolge boten damit die Interpreten, was auch ein Gütemerkmal des Trios ist.
Von manchem Besucher der Konzerte in diesem Raum wird die große Lautstärke unangenehm empfunden. Erst in der letzten Reihe wird diese auf ein angenehmes Maß reduziert. Wie soll es nun der Interpret machen? Oder sollen sich die Besucher in eine "sichere" Distanz zum Interpreten setzen? Im vorliegenden Fall hätte vielleicht ein geschlossener Deckel (oder kleinste Öffnung) des Flügels Minderung verschafft. Das führt aber zur Klangfarbenänderung beim Tasteninstrument. Die beiden Streichinstrumente müssten dann aber nicht an die Grenzen gehen. Es ist ein schwieriges Unterfangen, ein angenehmes Maß "für die Kammer" zu finden. Vielleicht gelingt es bei weiteren Konzerten. Das Jahresprogramm der "Kammermusik der Wartburgstadt" sieht weitere Veranstaltungen in diesem Raum und darüber hinaus noch an anderen Orten vor.

Gottfried Meyer, TLZ Weimar, 20.02.2003

 

Ganz nah am Original
Andreea Mereutza liefert Paradebeispiel der historischen Aufführungspraxis

Die Geigenkastenkonzerte des Vereins "Kammermusik der Wartburgstadt" sind in der Regel Podium für junge Künstler. In dem 60., das am Martin-Luther-Gymnasium stattfand, trat Andreea Mereutza auf, die in Kürze ihr Studium auf der Viola abschließen wird. Das Konzert diente noch einem anderen Zweck; es war ein Benefizkonzert für den "Jugendaustausch Osteuropa".
Das Konzert wurde mit einer Komposition von Johann Sebastian Bach eröffnet, War er doch einst Schüler dieser Schule, wenn auch nicht des Raumes, in dem das Konzert stattfand. Sicherlich hätte er Freude an Andreea Mereutzas Interpretation seiner Sonate für Viola da gamba und Cembalo G-Dur (BWV 1027) gehabt, die hier in der Version für Viola und Klavier erklang. Andreea Mereutza wurde von der Eisenacher Pianistin Monica Ripamonti-Taylor begleitet. Hat Andreea die Sonate etwa unter Anleitung des Komponisten studiert? Der Gedanke konnte beim Anhören kommen Die Ausführung der Triller stimmte, eine wunderschöne "Ingalit" war zu hören. Ein historisches Instrument mit historischem Bogen - und die Zuhörer hätten ein Paradebeispiel historischer Aufführungspraxis gehabt.
Monica Ripamonti-Taylor ließ den Rönisch-Flügel des Hauses mit dem Scherzo b-Moll (op.31) von Frederic Chopin erklingen. Die dynamischen Gegensätze im Hauptthema, die perlenden Läufe im Zwischenteil und die Kantilenen waren ein Hörgenuss.
Paul Hindemith hat die Viola aus ihrem Schattendasein geholt. Es sei nur an sein Konzert für dieses Instrument "Der Schwanendreher" erinnert. Seine hier erklungene Sonate für Viola solo fordert vom Interpreten hohe technische Meisterschaft. Sie ist gespickt mit Doppelgriffen. Reichlicher Beifall belohnte Andreea Mereutzas hervorragende Interpretation.
Johannes Brahms sah seine zwei Sonaten op. 120 für Klarinette, Viola oder auch Violoncello und Klavier vor, was der damaligen Musizierpraxis entsprach. Die zweite in Es-Dur anklang in diesem Konzert. Klavier und Viola waren im dynamischen Gleichgewicht, als würden die beiden Interpreten immer miteinander musizieren. Reichlicher Beifall belohnte die Interpreten. Ihnen sei Dank für das Benefizkonzert. Dank sei auch den Zuhörern für ihre Spenden gesagt, für Geld, das einem sehr guten Zweck dient.

Gottfried Meyer, TLZ Weimar, 26.02.2003

Steigerungslauf in Dur und Moll

"Es sind die leisen Töne ...", die die Suite für Streichorchester von Leos Janacek so angenehm für den Zuhörer und so anspruchsvoll für ein Orchester machen. Vom jungen Orchester "klang:fonie", das am Samstag im Mittelpunkt des 65. Geigenkastenkonzerts der "Kammermusik der Wartburgstadt" stand, war zum Auftakt des Konzertes in der Nikolaikirche weniger Technik am Instrument, denn Fingerspitzengefühl gefragt.
Das Lampenfieber war schuld, dass die leisen Töne bei einigen Mitstreitern auf etwas wackligen Beinen standen. Zwei, drei mehr Akteure bei den etwas unterbesetzten hohen Streichern hätte vieles im Wortsinn überspielt.
Das diesmal 20-köpfige Orchester von jungen Musikern weilte über den Jahreswechsel zum dritten Mal in Eisenach, um hier zu proben und das Ergebnis der Öffentlichkeit zu präsentieren. Vorweg: Das Resultat konnte sich hören lassen, wenngleich sich die Nervosität lange nicht legte und auch an Jonathan Weigle (19) nicht vorüber ging.
Weigle spielte als Solist das Konzert für Violoncello und Orchester von Georg Matthias Monn. Er versuchte, Aufgeregtheit mit robuster Spielart zu überdecken, dabei hätten einige Streicheleinheiten mehr dem Instrument und seinem Vortrag sehr gut getan.
Ein Ohrenschmaus war dagegen das Mozart-Konzert für Flöte und Orchester. Franziska Dallmann (22) von der Akademie der Staatsoper Berlin gefiel als Querflöten-Solistin mit Ausstrahlung, klarem Ton und viel Gefühl. Sie interpretierte den seichten Mozart-Stoff ohne Ecken und Kanten - aus einem Guss. Das Orchester honorierte es der Solistin mit Zurückhaltung, das Publikum mit viel Applaus.
Ganz andere Töne schlug "klang:fonie", das Ensemble junger Künstler aus verschiedenen Bundesländern mit Epizentrum in Berlin-Brandenburg, dann unter Dirigent Marian Lux (21) an.
Das Publikum hörte Lux' Komposition "Facetten für Kammermorchester" als Uraufführung und war baff. Lux studiert und komponiert Filmmusik und vor dem geistigen Auge jedes der etwa 60 Zuhörer lief bei dieser dramatisch gestrickten Musik ein Film ab - Ort, Handlung und Personen nach dem Gusto jedes Zuhörers. Ausnahmetalent Lux macht seinem Namen als junge Lichtgestalt in diesem Genre alle Ehre. Auch die Mitglieder der Eisenacher Landeskapelle im Auditorium waren voll des Lobes.
Die Serenade für Streicher von Robert Fuchs war der Abschluss eines hörenswerten Steigerungslaufes - ein fulminanter Vortrag mit Nachhall.
Ein einziges Konzert nach so intensiver Probenzeit in Eisenachs "Villa musica", damit ist "klang:fonie" unter Wert verkauft. Das Orchester würde auch in anderen Kirchen der Region am Jahresanfang ein dankbares Publikum finden.

Jensen Zlotowicz, TLZ Eisenach, 05.01.2004

 

Zusatz-Konzert für den Saal des Schlosses

Die Konzerte der "Kammermusik der Wartburgstadt" e.V. im Schloss Wilhelmsthal haben das Ziel, dass der akustisch hervorragende Saal und mit ihm der gesamte Gebäudekomplex nicht weiter verfällt. Ein Konzert zusätzlich in der vorgesehenen Veranstaltungsreihe war das 67. Geigenkastenkonzert am vergangenen Sonntag. Die Interpreten waren "Propheten im eigenen Lande" - Frank-Dietrich Müller und Christoph Fichtner (beide aus Eisenach) spielten auf der Traversflöte bzw. der Barockvioline, Hans Vieweg aus Suhl brachte sein Barockcello mit und Anne Hoff aus Weimar saß am Cembalo.
Das Konzert war ein Gang durch einen Abschnitt der Musikgeschichte. Mit zwei Kompositionen war Georg Philipp Telemann vertreten. Sein Pariser Quartett h-Moll, des nebst anderen Werken auf seine Reise nach Paris im Jahre 1737 zurück geht, atmet Musizierlust. Eine Fantasia für Solovioline hat der Cellist, einr oft geübten Praxis der damaligen Zeit entsprechend, für Cello umgeschrieben. Hier konnte er unter Beweis stellen, dass auch Stücke für ein Instrument ohne Begleitung (Tasteninstrumente seien hier einmal ausser acht gelassen) musikalisch gehaltvoll, interessant und keinesfalls langweilig sind. Dem Geiste der Hausmusik wurde durch das Duett e-Moll von Carl Philipp Emanuel Bach Tribut gezollt. In dem Quartett von Tommaso Giordani, einem Komponisten der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, trat Annne Hoff, die bis dahin nur eine Begleitfunktion zu erfüllen hatte, in einigen Abschnitten solistisch hervor. Mit zwei Kompositionen von Joseph Haydn war im Ablauf des Programms der Schritt in die Klassik getan. Dass die Musik nicht auf modernen Instrumenten erklang, gab ihr einen besonderen Reiz - kein Steinway, sondern ein Cembalo. Mit reichem Applaus bedankten sich die Zuhörer für das schöne Konzert.

Gottfried Meyer, TA, 01.09.2004

 

Konzert der besonderen Art

Mit einem Konzert besonderer Art erfreute die "Kammermusik der Wartburgstadt" traditionsgemäß im Schloss Wilhelmsthal. Erfreulich war, dass der Saal voll besetzt war und dass sich die Zuhörer vom beklagenswerten Bauzustand dieses Gebäudekomplexes nicht abschrecken ließen.
Auch die Künstler waren von dem Äußeren schockiert, ließen sich aber in ihrem Vortrag durch den einstigen Genius dieses Raumes, Georg Philipp Telemann, beflügeln, in dessen Werk ja auch viele sprühende Tanzsätze zu finden sind.
Das Konzert trug den Titel "Tango Sensation". Helena Rüegg auf dem Bandoneon und Christian Kiefer mit der Gitarre ließen 100 Jahre Geschichte des Tangos erklingen. Sie zeigten die Vielschichtigkeit dieses Begriffes, der Kompositionen nicht nur im Vierertakt, sondern auch im Dreiertakt beinhaltet.
Ausdrucksstarke Melodien des Bandoneons schwebten über den begleitenden Akkorden der Gitarre. Sie erzählen von Sehnsucht, von Liebe, von Schmerz. Aber auch Lebensfreude wird duch scharfe Rhythmen vermittelt. Das aus Deutschland, aus dem Musikwinkel des sächsischen Vogtlandes stammende Instrument Bandoneon kam nach Südamerika. Es wurde das Instrument des einfachen Volkes. Helena Rüegg war Schülerin eines bedeutenden Bandoneonisten in Buenos Aires. Meisterhaft beherrscht sie das Instrument. Bei ihrem Spiel kam der ganze Körper zum Einsatz. Dem Instrument entlockte sie die unterschiedlichsten dynamischen Nuancen. Die vorgestellten Kompositionen waren zum Teil auch Lieder, die hier aber rein instrumental vorgetragen wurden. Meisterhaft beherrscht auch Christian Kiefer seine Gitarre. Sein Part war das Fundament für die Melodien. Unterschiedliche Spieltechniken brachte er zum Einsatz. Einige Stücke des Programmes waren von ihm für dieses Duo bearbeitet. Das häufige gemeinsame Musizieren der beiden Interpreten ergab ein hervorragendes Zusammenspiel. Das Publikum zollte den beiden Künstlern reichlich Beifall.

Gottfried Meyer, TLZ Weimar, 15.09.2004

30 Finger

Die "Kammermusikvereinigung der Wartburgstadt" war schon immer für eine Überraschung gut. Solche Überraschungen können ganz unterschiedlich sein. Sei es, dass Nachwuchs- oder noch unbekannten Künstlern eine Chance gegeben wird, sich bekannt zu machen, was sich dann oft als "Geheimtipp" herausstellt und zu dem Wunsch führt, diesen oder diese sollte man öfter einladen. Oder dass man umgekehrt dem Publikum die Chance gibt, große Namen "live" zu erleben, von denen man gar nicht glaubt, dass die Träger solcher Namen je den Weg in unsere Provinzstadt finden. Natürlich spielen auch die Programme eine Rolle: Bevorzugt solche, die vermutlich ein größeres Publikum von anspruchsvollen Kennern wie auch gehobene Unterhaltung suchenden Liebhabern erreichen. Dann fragt man sich spontan: Wie schaffen die das bloß? Ein solcher Glücksfall hat sich am Sonntag im Landestheater ereignet, wo sich drei junge, attraktive Pianistinnen verschiedener nationaler Herkunft vorstellten, um sich in einen Konzertflügel zu teilen: die Griechin Xenia Kourkoumeli, die Ukrainerin Alina Pronina und die Deutsche Anne Salié. Sie bedienten das selten anzutreffende Genre "Klavier zu sechs Händen" (oder auch "zu 30 Fingern"). Günstig für die Bildung dieses Teams war, dass sie nicht nur das gleiche Alter und die professionelle Ausbildung - alle drei sind Hochschulabsolventinnen -, sondern auch gleiches technisches Niveau und ein grundmusikalisches Naturell verbindet. Dazu kommen ein paar dezent untermischte Show-Effekte, die auf eine komödiantische Ader schließen lassen. Scheinbar spontanes Tauschen der Plätze, verständnisinnige Blicke, gespieltes Sich-gegenseitig-Behindern, große Gestik und verschmitzte Mimik, als ob das alles improvisiert wäre. Vor allem wird deutlich, dass ihnen die Sache einen Riesen-Spaß macht. Was will man mehr verlangen?
Fehlt noch ein Blick auf das Programm. Es bestand aus Originalkompositionen und -bearbeitungen, die dem "Ensemble Pianistique" (so ihr offizieller Name) wie "auf den Leib geschneidert" scheinen. Daran wird deutlich, dass hier nichts improvisiert, sondern alles genau einstudiert ist. Verblüffend an ihren Arrangements: Sie werden gleichermaßen klavieristischen wie orchestralen Erwartungen gerecht. Die geschmackvolle Zusammenstellung berücksichtigte nur anspruchsvolle Titel: ein "militärisches Divertissement" des verschwenderisch mit Trillern umgehenden "Etüden"-Czerny, einen "militärischen Galopp" des unbekannten Charles Mayer (1799 - 1862); dynamisch und tempomäßig wunderbar gespielte fünf "Ungarische Tänze", die zwischen Melodie und Begleitung bestechend differenzierte "Romanze mit Walzer" von Sergej Rachmaninow, wobei sie hier wie anderswo mit geschliffener Anschlagskultur aufwarteten. Ein Höhepunkt war die nicht einfache Umsetzung von Streicherpassagen auf die Tasten in der Ouvertüre zum "Barbier von Sevilla".
Nach der Pause erschienen unsere drei Grazien ganz in Weiß mit einer Blume im Haar. Außer dem Klassiker Mozart und seiner "Figaro"-Ouvertüre, die gefühlvoll angegangen, doch auch mit gestochenen Läufen, gehörte dieser Teil vorwiegend der so genannten "leichten Muse" ohne Qualitätsabstrich. In einer Art "Cross-over" begegnete uns "Barock to the Blues" von Mike Cornick (geb. 1947), dunkel bebrillt ausgeführt, griechisch behandelter RAgtime von Scott Joplin, eine unter anderer Bezeichnung firmierende Toccata von Tomislav Baynov (geb. 1958).
Die Künstlerinnen bewiesen, dass sie zumindest im komponierten Jazz zu Hause sind. Ein überraschend anmutiges Intermezzo wurde geboten, als man sich ein Kind auf die Bühne holte, um es begleitend die Triangel schlagen zu lassen - ein Stück praktische Musikerziehung. Den Abschluss bildeten zwei unverwüstliche "Knüller", der "Radetzky-Marsch" und die "Tritsch-Tratsch-Polka". Eine Anmerkung ist noch wichtig. Die "Kammermusivereinigung" spendete den Erlös aus dem außerordentlich gut besuchten Konzert dem Fond zur Erhaltung des Landestheaters.

Dr. Wolfram Klante, TA, 05.10.2006

Weihnachtskonzert

Wie jedes Jahr werden von verschiedenen Organisationen und Klangkörpern Weihnachtskonzerte veranstaltet. Die Hauptstelle der Wartburgsparkasse stellte ihren Raum der "Kammermusik der Wartburgstatt e. V." wieder zur Verfügung. Der Leitung sei an dieser Stelle für die vielfältige Unterstützung gedankt. Diesmal vereinten sich gestandene Musiker mit noch in früher Ausbildung begriffenen. Zu dem Barockensemble Eisenach gesellten sich Kinderchor und Gesangsensemble der Musikschule "Joh. Seb. Bach", die unter der Leitung von Seth Taylor bzw. Natalia Strathmann-Alencova standen.
Mit Werken von Antonio Vivaldi, Antonio Caldara und Antonio Bertali war das Barockensemble im Programm vertreten. In dieser Formation eine Mandoline zu hören, wird manchen Zuhörer verwundert haben. Gilt doch dieses Instrument allgemein nicht als konzertfähig. Dem war aber in der Barockzeit nicht so. Gleichberechtigt neben der Violine erklang es. Man setzte die Instrumente ein, die man hatte, änderte in der Stimme vielleicht etwas ab; man nahm den Notentext als Anleitung zum Musizieren. So hielten es Seth Taylor und Hans-Christoph Fichtner mit der Violine, Frank Drechsel am Violoncello, Natalia Strathmann-Alencova mit der Mandoline und Monica Ripamonti-Taylor am Cembalo.
Frisch musiziert wurde Vivaldis Triosonate D-Dur für zwei Violinen und basso continuo (RV 84). Hier übernahm die Mandoline mit den Continuopart. Vielleicht wird manchem Zuhörer aufgefallen sein, dass die Violinen anders klangen. Neben der schon gewohnten barocken Tongebung wurden kleine schnelle Läufe auf einen Bogen gespielt; das ist des Rätsels Lösung. ein Bogenwechsel bei jedem Ton zerteilt den Lauf, so wird er eine Einheit.
In Vivaldis Konzert für Mandoline, zwei Violinen und b. c (RV 93) ließen dynamisch wohl abgestimmt die Violinen dem Soloinstrument den gebührenden Vorrang. Besonders der zweite Satz war eine Ohrenweide. Den Musizierenden gelang in allen Kompositionen eine Ehrenrettung der Mandoline.
Im Kinderchor und im Gesangsensemble der Musikschule nutzten junge Musikerinnen das Instrument, das jedem Menschen zu eigen ist, seine Stimme. Leider wird sie in unseren Breiten allgemein sehr vernachlässigt. Das beginnt schon im Kindergarten und setzt sich in der Schule fort. In der Ausbildung der Erzieher nimmt ein Wissen um die Stimme - wenn schon vermittelt - eine Randstellung ein. Wie schön Kinderstimmen (und die der "Teenager") klingen können, bewies Natalia Strathmann-Alencova als Musikpädagogin mit ihren Mitstreitern.
Mit je einer Komposition von Ralf Grössler und Astor Piazzolla war im Programm das 20. Jh. vertreten. Dass die Sängerinnen die Werke auswendig interpretierten, zeugt von einer guten Vorarbeit. Die ungewohnten harmonischen Wendungen in Piazollas "Ave Maria" bereiteten zwar etwas Schwierigkeiten; aber man kann nur an höher gesteckten Zielen wachsen. Es traten keine Interpreten mit Hochschuldiplom auf!
Nicht zu vergessen gehört Volker Weber zum festen Bestandteil der Weihnachtskonzerte der Kammermusik. Seine hervorragend vorgetragenen Textbeiträge regen immer zum Nachdenken an und geben diesen Konzerten eine
besondere Würze.

Gottfried Meyer, TLZ, 22.12.2010

Benefizkonzert für baufälliges Schloss in Wilhelmsthal

Das Schloss ist eine Baustelle, niemand weiß, wie lange noch. Im Telemannsaal stehen Fenster unverglast offen, Putz und Farbe bröckeln, wo sie nicht vollends fehlen, und die Risse in Wänden und Stuckdecke erkennt jeder Laie. Aber Schloss Wilhelmsthal hat Freunde. Schon 1995 gab der Verein "Kammermusik der Wartburgstadt" an dieser Stelle ein Konzert zugunsten des im frühen 18. Jahrhundert errichteten Sommerschlosses, in dem Liszt gern zu Gast war und wo vor fast 300 Jahren die Werke von Georg Philipp Telemann uraufgeführt wurden.
Am Sonntag erlebte das Benefizkonzert eine Neuauflage: Telemann im Telemannsaal zugunsten des Telemannsaals, gespielt von Eisenacher Musikern auf historischen Instrumenten. Das Publikumsinteresse daran war derart groß, dass das Quintett um den Landeskapellen-Konzertmeister Seth Taylor sein Programm zweimal hintereinander spielte. Was an Stühlen und Bänken aufgeboten werden konnte, wurde in den Saal geschoben, der zu DDR-Zeiten als Speiseraum eines Kinderheims diente und 2004 wegen Baufälligkeit für Jahre gesperrt wurde. Als Konzertort hat der ovale Telemannsaal auch in seinem jetzigen Zustand Atmosphäre und eine interessante Akustik. Allerdings setzte das schwülwarme Kleinklima in dem voll besetzten Raum den Instrumenten zu. Die Bezeichnung "Baustellenkonzert" gewann eine ungeahnte Zweitbedeutung, als bei den Streichern nacheinander mehrere Saiten rissen; eine Cellosaite verabschiedete sich mit einem Knall in der Siciliana von Telemanns Kammerkonzert g-Moll -, als die mimosenhaften Barockinstrumente beinahe Satz für Satz nachgestimmt werden mussten und die Altblockflöte fast ihren Dienst verweigerte. Die Luftfeuchtigkeit, sagte Flötist Frank-Dietrich Müller entschuldigend - und ersuchte das Publikum, doch mal bitte für zehn Minuten das Atmen einzustellen.
Mit Humor nahmen Musiker und Publikum die Tücken, die das alte Gemäuer birgt. Der Weg zum Konzert führte an Bauzäunen und Gerüsten entlang, Staub und Feuchtigkeit lassen sich aus dem zugluftdurchwehten Telemannsaal nicht aussperren. Aber Silvia Wagner, Bauassessorin der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, hatte Hoffnungsvolles für Schloss Wilhelmsthal zu verkünden. Bis Jahresende wird die Stiftung 2,5 Millionen Euro an Landes- und Bundesmitteln in die Gebäude und den Mitte des 19. Jahrhunderts gestalteten Park investiert haben. Der Schlossteich wurde bereits entschlammt, Parkwegenetz und Brücken müssen noch erneuert werden. Neben dem Alten Schloss, dem Corps de Logis, ist der Telemannsaal im Neuen Schloss ein Schwerpunkt der Sanierungsarbeiten. Schuld am katastrophalen Zustand der Anlage seien nicht zuletzt fehlerhafte Baumaßnahmen vergangener Jahre, sagte Silvia Wagner; dadurch seien Schäden an der Fachwerkkonstruktion entstanden. "Und wo immer wir anfangen zu arbeiten - der Schwamm ist schon da." Ein Ende der Sanierung ist nicht abzusehen, und wie das Schloss genutzt werden könnte, weiß niemand. Als Konzertort hat sich der Telemannsaal trotz aller Widrigkeiten auch diesmal bewährt - und Telemanns Werke sind hier hörbar zu Hause. Die Launen der Barockinstrumente nahm das Publikum gern in Kauf; dass Sopranistin Virginia Apel in der "Kleinen Kantate von Wald und Au" völlig den Faden verlor, war allerdings schade. In den besten Momenten, so bei der Triosonate D-Dur mit den Geigern Seth Taylor und Hans-Christoph Fichtner, Cellistin Roxana-Maria Mereutza und Cembalistin Monica Ripamonti-Taylor, war das Konzert hinreißend schön. Ganz ohne Baustellen-Charakter.

Frauke Adrians, TA, 23.08.2011

 

Schumann-Konzert

In der Musikschule "Johann Sebastian Bach" Eisenach musizierten der Pianist Hartmut Leistritz (Berlin), der Geiger Seth Taylor (Eisenach) und die Cellistin Claudia Schwarze (Erfurt) ausschließlich Werke von Robert Schumann. Mit der Auswahl aus dem umfangreichen kammermusikalischen Schaffen gaben sie einen interessanten Querschnitt.
Die noch in Leipzig im Jahr 1842 entstandenen Fantasiestücke op. 88 für Klavier, Violine und Violoncello stellen das Tasteninstrument in den Vordergrund. Das dann in Dresden im Jahr 1847 komponierte Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 63 (Opuszahlen geben nicht immer chronologische Auskunft!) ließ eine Gleichstellung der Instrumente erkennen. Bei den im Jahr 1849 geschaffenen fünf Stücken im Volkston op. 102 schließlich wurde das Violoncello vom Klavier begleitet.
Die drei ausführenden Musiker ließen die Kompositionen in hervorragender Qualität erklingen, jeder ein Meister seines Faches. Die in den Stücken unterschiedlich zugewiesene Solistenrolle machte es deutlich. Das Publikum honorierte die Leistung mit reichlich Beifall. Als Dank und Zugabe wählten die Musiker eine Komposition von Clara Schumann, womit sie in der Familie blieben. Die kompositorische Leistung dieser Frau ist inzwischen unumstritten. Wie oft wird sie den Klavierpart bei den Werken dieses Konzertabends übernommen haben? ...
Eigentlich wäre dieses Konzert als ein Nachtrag zum Schumann-Jahr 2010 anzusehen, aber man kann auch ein Programm einem Komponisten widmen, ohne dass ein Gedenkjahr den Anlass gibt. Für die Zuhörer wird dieses Konzert der "Kammermusik der Wartburgstadt" e.V. lange in Erinnerung bleiben.

Gottfried Meyer, TLZ, 30.11.2011

 

Festival auf Telemanns Spuren

Eisenach. In den Fokus des Geschehens rückt beim Jahresthema 2012 "Reformation und Musik" die Wartburgstadt Eisenach. Nicht allein wegen der authentischen Schauplätze, die mit Luther und Bach verbunden sind. Sondern auch des heutzutage immer noch unterschätzten Kapellmeisters Georg Philipp Telemann (1681-1767) wegen. Dass es im Werk des großen Barockkomponisten noch gewichtige Entdeckungen zu machen gilt, das wollen die 15. Eisenacher Telemann-Tage (7.-15. Juli) beweisen. Ab Montag startet der Vorverkauf für das traditionsreiche Festival.
"Eisenach ist die Wiege der neueren lutherischen Kantate", erklärt Seth Taylor, der Organisator. "Ohne Telemann hätte es auch die Bachischen Kantaten nicht gegeben." Taylor fungiert nur im Nebenamt als Impresario und Vorsitzender des Vereins Kammermusik in der Wartburgstadt e. V.; sein Brot verdient der Profi-Musiker quasi als ein später Nachfolger Telemanns: als Konzertmeister der Landeskapelle. Umso mehr haben er und seine Mitstreiter sich ins Zeug gelegt, damit man mit Eisenach nicht nur Bachs Geburtsstätte assoziiert, sondern eine reiche - und nicht zuletzt barocke - Musiktradition.
Telemann also. Anno 1708 kam der junge Musiker aus Sorau in die Wartburgstadt. Bei der Verpflichtung des 27-Jährigen hatte gewiss sein frisch gebackener Schwiegerpapa, Eisenachs Kapellmeister Daniel Eberlin, die Hände im Spiel. Ein Segen. Denn rasch erwies sich der junge Mann als unerwartete Bereicherung für das Musikleben der Residenzstadt. Gleich zum Weihnachtsfest 1708 schrieb er eine Kantate.
Frühe Berühmtheit und musikhistorische Bedeutung gewann Telemann durch seinen bald darauf entwickelten Kantatenstil, indem er opernhafte Elemente adaptierte und so ungewohnt hohe Spannungsmomente erzeugte. Der Eisenacher Zyklus "Geistliches Singen und Spielen" des Jahres 1710/11 wirkte bahnbrechend in der geistlichen Barockmusik - und bildet bei den Telemann-Tagen ein Zentrum. Allein zwei dieser Werke führt die wackere Landeskapelle im Verein mit dem Bachchor Eisenach unter KMD Christian Stötzner auf.
Für den Festival-Auftakt hat Taylor indes ein Star-Ensemble der Alte-Musik-Szene verpflichtet: das L'Orfeo Barockorchester unter der Leitung von Michi Gaigg. Das vor 15 Jahren im österreichischen Linz gegründete Ensemble hat inzwischen alle wichtigen Preise der Zunft eingeheimst und - nicht zuletzt mit Telemann - das CD-Repertoire bereichert. "Aber ohne die Hilfe von Deutschlandradio wäre das Konzert nicht zustande gekommen", gesteht Taylor, der naturgemäß mit minimalem Etat operiert. Der Sender, der das Konzert auf der Wartburg mitschneidet, übernimmt die Honorare, während das Festival die Logistikkosten trägt. Das genaue Programm steht noch nicht fest.
Am Folgetag, einem Sonntag, spielt zum morgendlichen Kantatengottesdienst in der Georgenkirche die Landeskapelle und nachmittags an Ort und Stelle die Mitteldeutsche Barock Compagney. Während der folgenden Woche gibt das Erfurter Musica-rara-Ensemble ein Kammerkonzert, Frieder Gauer und Máté-Sólyom-Nagy vom Erfurter Opernhaus entführen in halbszenischem Spiel mit Musik vor allem junge Hörer in die Eisenacher Lebenswelt des Komponisten, und der bekannte Schauspieler August Zirner trägt aus den "Zeugnissen wahrer Liebe nach dem Tode tugendhafter Frauen" vor - einem autobiografischen Prosawerk aus Telemannscher Feder.
Zudem bestreitet die Landeskapelle ein Konzert mit profaner Instrumentalmusik des Komponisten, unter Leitung Claus Oefners beleuchtet ein wissenschaftliches Symposion "Telemann als lutherischen Kirchenmusiker", und die Preisträger des diesjährigen Magdeburger Telemann-Wettbewerbs, der Gambist Christoph Prendl und der Cembalist Sebastian Bausch, sind zu Gast.
Das Abschlusskonzert am 15. Juli, das auch MDR Figaro überträgt, liegt Seth Taylor besonders am Herzen. Dazu hat er als Schauplatz den herrlichen Telemannsaal auf Schloss Wilhelmsthal ausgewählt. Wenn das Leipziger Barock Consort unter Leitung Constanze Beyers zwei Serenaten und drei Sonaten, die Telemann in Eisenach schrieb, musiziert, stellt sich dank der besonderen Akustik im Oval und dank des authentischen Ambientes gewiss ein synästhetischer Genuss für die Hörer ein. Der Saal der Sommerresidenz wurde Mitte der 1710er Jahre ja eigens für Telemann errichtet.
Dass das baugeschichtliche Kleinod noch nicht wieder im alten Glanz erstrahlen kann, ist Taylor bewusst: "Die Künstler und das Publikum werden in Kauf nehmen müssen, dass es noch eine Baustelle ist." Aber zumindest ohne Gefahr für die Gesundheit wird man es bestaunen können; die prächtige Stuckdecke befindet sich seit diesem Herbst wieder in sicherer Verankerung.
Seth Taylor macht keinen Hehl daraus, dass er Wilhelmsthal je schneller, desto lieber saniert sähe und ihn das Embargo des Finanzministers zornig macht. "Wir wollen Druck machen", verrät er einen Hintergedanken bei dieser Konzertansetzung. Das erwartete internationale Publikum wird ihn verstehen, und die Telemann-Gesellschaft in Magdeburg, die auch beim Programm des Festivals half, zählt ohnehin zu den Unterstützern pro Wilhelmsthal.
Vielleicht avanciert sogar Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) von der Schirmherrin der Telemann-Tage zur Wilhelmsthal-Aktivistin. Es wäre dem engagierten Seth Taylor und seinem rührigen Kammermusik-Verein eine Freude. Ihnen ist es zu danken, dass die finanziell klamme Wartburgstadt zu einer klangvollen, lustvollen Entdeckungsreise in ihre großartige barocke Geschichte einladen kann.

Wolfgang Hirsch, TLZ, 29.12.2011

Der goldige Jux mit der Fernbedienung

Die Rosenmontagskonzerte sind spannungsgeladene Konzerte. Außer einem vielsagenden Plakat ist dem Publikum nichts bekannt. Vor 21 Jahren hat die "Kammermusik der Wartburgstadt e. V." die Reihe von Konzerten am Rosenmontag begonnen. Seit drei Jahren ist das Landestheater, speziell die Landeskapelle, mit im Boot. Was können wir erwarten?
Tetsuro Ban als Gastdirigent schwang wieder das Stäbchen, extra aus seinem Wirkungsort Regensburg angereist. Die Landeskapelle und das Publikum haben ihn noch in guter Erinnerung. Er zierte in einer "Nel-Würzung" das Plakat. Was rührt er mit dem Stock im Orchester? Was soll die Laterne? "Ein Kessel klassisch Buntes" war das Motto, verkündet von Stephan Rumphorst, der durch das Programm führte. Bernhard Kaul vom Vorstand der "Kammermusik" und langjähriger Moderator der Konzerte wurde von ihm im Verlauf des Programmes u. a. zur Geschichte dieser Konzertreihe befragt.
Was soll Beethovens Egmont-Ouvertüre in einem Rosenmontags-Konzert? Sie wurde im wahrsten Sinne farbig gestaltet. Mit einer extra für dieses Konzert entwickelten japanischen Fernbedienung konnte der Hintergrund die Farben wechseln. Bei der "schneidend fallenden Quarte" fielen zwei Girlanden herab.
Nanu, das Orchester heute ganz farblos schwarz-weiß? Nein, das änderte sich im Handumdrehen, und jeder hatte eine Faschingsnase auf. Diese roten Kullern dienten dann als Wurfgeschosse (statt Kamellen) in das Publikum.
Klaschisch (die Erhardtsche Stolperfalle) ging es weiter. Fünf junge Schwan-Eleven hatten an Gehhilfen ihren Auftritt. Wenn sie fleißig trainieren, werden sie dann auch einstmals durch die Luft wirbeln, wie es das Ballett des Hauses tat.
Ein(e) Lamm sang eine beeindruckende Koloraturarie von einem Pferd auf einem Boot. Das Publikum kannte sie und sang mit. Eine Fledermaus flatterte durch den Theaterraum. Mit einem Löwen (oder doch einem Loewen?) hat das Lämmchen dann auch noch heut Nacht getanzt. Eine faire Lady!
Wer kennt noch Willi Schwabe, die sehr deutlich sprechende Schauspielerlegende und seine Rumpelkammer? Die Jenseits-Fünfziger werden bei dieser Musik von Tschaikowski "wohlige Wonnegewühle wallend" (wir haben das Wagnerjahr!) gehabt haben. Nicht alte Filme, sondern alte Bilder wurden betrachtet. "Musiker privat" - so konnte man die Spielpause überschreiben. Und wer noch keine persönliche Beziehung zu auch nur einem Mitglied unserer Landeskapelle hatte, hat sie so bekommen. Übrigens, dass eine Vertreterin der Stadtverwaltung im Konzert war und anschließend in der Kantine saß, hat nicht nur die Musiker erfreut.
Wie man eine Mozart-Sinfonie mit der eingangs erwähnten Wunder-Fernbedienung privat interpretieren kann, macht fernbedienungssüchtig. Eigenschöpferisch kann so der Kunstästhet das Kunstwerk verfeinern. Diese Fernbedienung mit ihren Befehlen wie z. B. "Play", "Pause" und "Stop" gehört in Zukunft in die Hand jedes Sinfoniekonzertbesuchers!
Eigentlich sollte mit einem Elgar, dem Bekanntesten, Schluss sein. Hat der Schlagzeuger schon sein Kilometergeld abgerechnet? Er musste Diener zweier Herren sein. Zwei Zugaben - es hätten auch mehr sein können - folgten noch. Beim Straußschen "Perpetuum mobile" hatten die gestressten Musiker Zeit, sich beim Kartenspiel zu erholen oder schnell einmal auf die Toilette zu gehen. Mit zwei Stäbchen den Radetzky-Marsch zu dirigieren vermag nur ein Japaner. Wie viel Minuten Beifall bekam er? Ein voll besetztes Haus dankte allen stürmisch und freut sich schon (nicht nur) auf das 22. Rosenmontagskonzert.

Gottfried Meyer, 11.02.2013

 

Klavierrezital

Ist "Weltklasse-Klavier" hochgestapelt? Nein!
Zu dieser Erkenntnis kam man gleich nach den ersten Takten im Klavierrezital von Anny Hwang im Foyer des Landestheaters. Die "Kammermusik der Wartburgstadt e. V." hatte die junge Pianistin schon länger im Blick. Nun gelang es, sie für den Nachmittag des 17. März zu gewinnen. Werke von Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms und Frédéric Chopin standen auf dem Programm.
Zarte Hände einer zarten Person griffen in die Tasten, als hätte der stattliche Brahms höchstpersönlich vollgriffig den Flügel traktiert. Wer es nicht selbst gesehen und gehört hat, kann es vielleicht nicht glauben. Die ersten vier Töne von Beethovens Sonate Nr. 17 d-Moll (op. 31.2), der sogenannten "Sturm-Sonate" entströmten so zart dem Flügel und verrieten noch nichts von dem Orkan, den Anny Hwang im weiteren Verlauf auf dem Instrument entfachte. Metallisch harte Töne und gesanglich weiche wie in den rezitativischen Abschnitten standen sich gegenüber. Ist es der das Schicksal wegen Taubheit anklagende Meister, der hier zu Worte - besser: zu Tone - kam?
Dass ein Interpret, eine Interpretin auf einem Instrument der Firma Schimmel eine solch umfangreiche Klangpalette gestalten kann, berechtigt zum "Weltklasse-Klavier" auf dem Plakat. Die Freunde der Klaviermusik kamen voll und ganz auf ihre Kosten und werden den Konzertbesuch nicht bereut haben. Anny Hwang reist (noch nicht?) mit eigenem, ihr wohlvertrauten Instrument von Konzert zu Konzert. Sie hat (noch nicht?) einen eigenen, wohl geschulten Betreuer des Instrumentes an ihrer Seite. Sie muss mit den Tücken unterschiedlicher Instrumente siegreich kämpfen.
Die 6 Klavierstücke (op. 118) entstanden wenige Jahre vor Brahms’ Tod. Man sieht - wie durch Bild bekannt - den körperlich stattlichen Meister breitspurig vor dem Instrument sitzend. Im Konzert nichts dergleichen, Anny Hwang hat damit nichts gemein. Und trotzdem erklingt ein mit kräftigen Akkorden typischer Brahms, teils ruhig, teils stürmisch.
Mit der Statur Frédéric Chopins kann man Anny Hwang eher vergleichen. Die völlig andere Kompositions- und Spielweise mit ihren perlenden Tonfolgen rollten ihr mühelos und präzis aus den Händen. Zunächst erklang die Ballade Nr. 2 in F-Dur (op. 38). Gestochen scharfe Begleitakkorde zierten die "Grande Polonaise brillant précédée d’un Andante spinato pour le piano avec orchestre" Es-Dur (op. 22), wie sie im ausführlichen Titel heißt.
Natürlich erheischte der Beifall im bis auf den letzten Platz gefüllten Raum eine Zugabe. Als wenn der Flügel noch nicht genug geschlagen worden wäre (man kann dieses Instrument wegen der Tonerzeugung auch unter die Schlaginstrumente einordnen), setzte Anny Hwang mit der Toccata von Camille Saint-Saëns noch einen grandiosen Schlusspunkt. Auch wenn sie sich beim Publikum bedankte, so hat doch wohl das Publikum ihr mehr Dank für ihren glanzvollen Klaviervortrag zu sagen.

Gottfried Meyer, 03.2013

 

Spätsommer bei Telemann

Wilhelmsthal ist einen Besuch wert. Nicht nur Sonntagsausflügler wissen das, sondern auch Konzertbesucher.
In Zusammenarbeit mit der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten veranstaltet die "Kammermusik der Wartburgstadt e. V. immer wieder Konzerte, wie es auch zum meteorologischen Herbstanfang geschah. Die Besucher wissen die gute Akustik des Saales zu schätzen, der immer noch auf seine vollständige Restaurierung wartet, aber wieder nutzbar ist. "Spätsommer bei Telemann" hatten der Geiger Seth Taylor und die Cembalistin Monica Ripamonti-Taylor das Programm überschrieben. Wer die Konzerte im Verlaufe eines Jahres besuchte, wird die spätsommerliche Atmosphäre gespürt haben, die durch die Scheiben leuchtete.
Drei bedeutende Komponisten des Barock standen auf dem Programm: Georg Philipp Telemann, Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach. Wer ganz genau hinschaute, wird den Barockbogen in der Hand des Geigers entdeckt haben; er hat u. a. eine andere, augenfällige Spitze als der heute übliche. Aber nicht nur der Bogen, sondern auch die Strichtechnik zusammen mit dem Instrument gibt den historischer Spielweise angelehnten Klang. Dazu kommt noch die tiefere Stimmtonhöhe.
Die nach seinem Eisenacher Aufenthalt schon in Frankfurt komponierte Sonate II D-Dur (TWV 41:D1) ist dem Herzog Johann Ernst von Sachsen-Weimar zugeeignet, ein Werk des noch jungen Komponisten. Telemann blieb dem Eisenacher Hof verbunden. Hat dem zahlreich erschienen Publikum der 1. Satz so gut gefallen, dass es ihn schon mit Beifall belohnte? Auf alle Fälle passten die Klingeltöne des Handys nach dem 2. Satz gut in die Pause und wurden von Interpreten und Publikum mit Humor quittiert. Nicht immer lässt sich eine solche peinliche Situation so gut meistern.
Die folgende Sonate B-Dur (TWV 42:B4) brachte den späteren Telemann zu Gehör. Der Stil ist ein anderer. Während in der vorangegangenen Sonate das Cembalo den üblichen Generalbass zu spielen hatte (die Harmonien werden mit entsprechenden Zahlen unter der Bassstimme notiert), war nun dem "Cembalo obligato" ein vom Komponisten genau notierte Stimme zugewiesen. Die Violine bekommt eine Begleitfunktion. Auch damals schritt die Entwicklung voran.
Mit der Fantasie Nr. 7 Es-Dur (TWV 40:20) des Hauskomponisten erlebte der Zuhörer die Reichhaltigkeit eines Solospiels auf der Violine. Durch geschickte Tonfolge und ab und zu Doppelgriffe wird dem Zuhörer eine Harmoniefolge vermittelt, die eigentlich nicht vorhanden ist. Wir Hörer im 21. Jahrhundert hören in dem Falle Harmonien, die uns die Klassik durch die Homophonie immer wieder vor Ohren führte. So ist es uns nicht möglich, wie ein Konzertbesucher des 18. Jahrhunderts die Musik aufzunehmen. Durch geschickte Betonung einzelner Töne verstärkt der Interpret das "Hören" der Harmonien.
Händels Suite III für Cembalo solo d-Moll (HWV 428) forderte der Interpretin hohe Geläufigkeit ab. Die Grenze setzt aber meistens das Instrument. Historische Tasteninstrumente haben ein Eigenleben. Das Spiel auf ihnen kann man mit einer Bitte an sie vergleichen: "Bitte spiel mit mir!" Leicht kann es passieren, dass das Instrument das Spiel versagt. In unserem Falle kennt die Spielerin ihr Instrument ganz genau und wusste, was sie von ihm abverlangen konnte. Ein besonders langer Beifall war der Lohn.
Die Sonate Nr. 6 für Violine und obligates Cembalo G-Dur (BWV 1019 von Johann Sebastian Bach bildete den Schluss des Konzertes; natürlich gab es noch eine Zugabe. Der unterschiedliche Stil, die persönliche Handschrift der drei gleichaltrigen Barockkomponisten war gut zu vergleichen. Frau Ripamonti-Taylor verwies auf die Unterschiede im Leben dieser drei Meister. Es ist aufschlussreich, in gleicher Besetzung gleichgeartete Kompositionen gleichaltriger Meister zu hören.
Dass die vorrangig aus Eisenach gekommenen Zuhörer die hervorragende Qualität ihrer Eisenacher Musiker zu schätzen wissen, braucht vielleicht nicht besonders erwähnt zu werden. Der "Prophet im eigenen Lande" gilt doch manchmal etwas mehr als ihm im geflügelten Wort nachgesagt.

Gottfried Meyer, 09.2013

Rosenmontagskonzert im Landestheater

Das 23. Rosenmontagskonzert am Montag, dem 16. Februar 2015 ging schlecht los. Das Haus, d. h. das Landestheater war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Musiker saßen in festlichem Schwarz auf der Bühne; nur das Publikum war unpassend bunt gekleidet, manche mit einem "Bolero". Der Dirigent war nicht da! Der Konzertmeister fand schließlich einen netten Menschen im Publikum, der einspringen wollte, natürlich auf Probe. Und so wurde das Konzert, das wiederum in Kooperation mit der "Kammermusik der Wartburgstadt e. V." veranstaltet wurde, eine öffentliche Probe. Zum Glück verlief sie reibungslos. Der Probedirigent, der zufällig in Eisenach weilende Rumäne Radu Gheorghe machte seine Sache gut. Es ist unerklärlich, warum das Publikum in dieser Probe immer lachte.
Ein Strauß schöner Stücke wurde geboten. Zart zupften die Streicher in der "Neuen Pizzicato-Polka". Den Streichern, Bläsern und Schlagzeugern wurde gedankt, Ersteren, weil sie so schön spielten, Letzteren, weil sie so schön still gesessen haben. Dass den Dirigenten anscheinend plötzlich Flöhe bissen, scheint an dem verflohten Wildbret gelegen zu haben, das "Auf der Jagd" erlegt wurde. Der bereits 19.17 Uhr, also vor dem Konzertbeginn 19.31 Uhr, eingespielte "Zauberlehrling" hat vermutlich den rüstig lebendigen Dirigenten in einen alten Mann verzaubert. Hilfreiche Orchestermitglieder standen ihm beim Ersteigen des Dirigentenpodestes zur Seite.
Ach, das sollte nicht passieren! Der Konzertmeister verspielt sich und wird hart abgestraft. Das Publikum hatte Mitleid und verzieh ihm. Das kann doch einmal in der Aufregung passieren! Es wird nie wieder vorkommen. Aus Rache schlug später der Konzertmeister hart zu, so dass die Bühne bebte. "Victoria" zeigend erschien er wieder. Auch ein Spieler an der Triangel musste dem Probanten zeigen, dass das Orchester hier Herr im Hause ist.
Die Landeskapelle allein konnte das Konzert nicht bestreiten. Deshalb mussten wieder Gastmusiker aushelfen. Auch hat man zwei im wahrsten Sinne (sich) wacker schlagende Leute von der Straße engagiert. Das spart es Gagen.
"O Freunde, nicht diese Töne! Sondern lasst uns angenehmere anstimmen, und freudenvollere!" mag man Beethoven zitieren. Die spielen ja jeder etwas Anderes! Das nennt man "Alligatorische Musik" (oder so ähnlich). Juchzen, Jubel! Ach, kann die Kapelle außer Beethoven auch Volksmusik vieler Länder spielen und lustig sein! Haben die sich darüber gefreut! Nein, nicht der Schmied von Ruhla, sondern ein Schlagzeug-Boss-Solo für Amboss war das in der Ambosspolka von Johann Strauß. Auch "Anne" schickte einen Polka-Gruß.
In der Kantine schien es etwas Leckeres gegeben zu haben, denn nach der Pause erschienen die Musiker verspätet auf ihren Plätzen. Am Ende hat das Stück noch recht gut geklungen. Doch dann hatten sie es satt und standen mitten im Stück einfach auf und gingen. Das hat sicherlich disziplinarische Folgen. Da spielten später zwei Geiger ihren Solopart aus dem Doppelkonzert von Bach; und das ohne Orchester. Sittenverfall auf der ganzen Linie! Es ist unerklärlich, warum das einigen Menschen einen "Haydn"-Spaß macht.
Aber dann kamen die Musiker doch wieder auf die Bühne, bevor sie mit ihren Rädern heim fuhren. Der "Radeljetztky-Marsch" forderte alle auf, das Haus zu verlassen. Alle konnten ohne "Donner und Blitz" den Heimweg antreten.

Der immer kritisch rezensierende Deirfttog Reyem

Gottfried Meyer, 02.2015

 

Pfingstkonzert in Wilhelmsthal

Ausverkauft war der historische Telemann-Saal im Schloss Wilhelmsthal am Pfingstsonntag. Das Konzert des Gemischten Chores der Wartburgstadt zog gut 100 Menschen in die Idylle des Schlossgeländes ... Der Reinerlös des Konzertes kommt der weiteren Sanierung des Saales zugute. "Ich bin ganz besonders dankbar, dass wir damit die Arbeiten zum Erhalt des Saales und des Schlosses weiter fördern können" sagte Seth Taylor vom Verein "Kammermusik der Wartburgstadt"... Wie gut das Geld investiert ist, ließ sich an Ort und Stelle beobachten: Der Saal erhält zur Zeit ein neues Dach, bis Jahresende soll er äußerlich komplett saniert sein. Dann kann es im Inneren des Gebäudes weitergehen ... Der Saal ist in der Tat ein Superlativ: Der älteste freistehende Konzertsaal Europas ... Dort führte einst Telemann seine Werke auf. Für den Chor war es bereits der fünfte Auftritt, seit drei Jahren hat sich Pfingsten als Termin dafür etabliert.
Hans-Peter Burkhardt, Gründer des 31 Jahre alten Chores und dessen Dirigent, präsentierte mit seinem knapp 40-köpfigen Ensemble Stücke wie "Die beste Zeit im Jahr ist mein" von Martin Luther, "Dat du min Levsten bist", besonders effektvoll: "Lauf, Jäger, lauf" bis hin zum modernen Frühlingsspalm von Waldemar Ahlen.
Mehrfach wurde aus dem großen Chor ein ein kleiner mit 16 Sängerinnen und Sängern. Stets war der Vortrag der Ensembles sicher, akkurat und harmonisch. Das Programm traf den Nerv des Publikums, das begeistert Applaus spendete ... Wie stets beim gemischten Chor war das Publikum wiederholt zum Mitsingen eingeladen. Dazu wurden zwei Kanons einstudiert und Volkslieder gesungen, die den Zuhörern erstaunlich textsicher über die Lippen gingen. Immer wieder hörenswert sind auch die Ansagen von Ingrid Burkhardt, die die verschiedenen Programmblöcke mit einer Mischung aus Wissenswertem, Lyrik und Textauszügen verband ...

Klaus Wuggazer, TLZ Eisenach, 26.05.2015